Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
Nähe löste einen völlig ungewohnten Wonneschauer bei ihr aus. »Manche Dinge haben sich definitiv verändert«, sagte sie leise.
»Stimmt. Die äußere Verpackung.« Die Antwort klang eher verärgert als schmeichelnd. »Das ist ziemlich offensichtlich, Red. Und du erwähnst es jetzt schon zum zweiten Mal. Das Äußere ist dir also wichtig, nehme ich an.«
»Nein, noch nie gewesen«, entgegnete sie. Doch als er sie anschaute, errötete sie, und sie musste zugeben, dass er eingedenk des strahlenden, aber herzlosen Danny früher einmal jeden Grund zu der Annahme hatte, dass die äußere Erscheinung ihr tatsächlich wichtig war.
Wieso stand sie eigentlich praktisch mit allen hier auf Kriegsfuß? »Ich wollte damit nur ausdrücken, dass du dich in deinem Wesen sehr verändert hast – du bist jetzt viel beherrschter. Das ist ein großer Unterschied zu damals.«
»Vielleicht zeige ich ja nur jenen Menschen meine Gefühle, denen ich nahestehe.«
Touché. »Welches Recht habe ich auch schon, etwas über dich zu erfahren – ist es das?«
Er schwieg.
Noch ein neuer Wesenszug.
Summer betrachtete erneut die Fotos an der Wand. Auf einem war ein junges Paar zu sehen, beide lächelten, hielten sich eng umschlungen. So wirkten so glücklich, so sorglos. Auch Summer hatte sich immer für glücklich und sorglos gehalten, aber im Moment war ihr ganz anders zumute.
Im Laufe der Jahre war sie Bindungen eingegangen, mit Kollegen, Kunden. Anderen Männern. Sie hatte alle diese Verbindungen genossen und verband auch schöne Erinnerungen damit; doch keine ließ sich damit vergleichen, was sie mit Joe gehabt hatte. »Denkst du jemals an uns zurück?«, sagte sie leise und betrachtete immer noch das glückliche Paar, das hundert Jahre zuvor gelebt hatte.
Er schwieg so lange, bis sie ihm ins Gesicht schaute. Er hatte sich heute – vielleicht auch gestern – nicht rasiert, auf seinem Kinn sprossen dunkle Bartstoppeln. Als er sie lange, forschend ansah, schienen in seinen Augen einige Erinnerungen aufzuflackern. »Manchmal.«
»Ich auch«, gestand sie, aber nicht den Rest. Nämlich dass sie den Joe von damals anziehend gefunden hatte, weil er für all das stand, was schön gewesen war in ihrer Kindheit. Und dass sie auch den Joe von heute, mit seinen Lachfältchen und seinem wissenden Blick, mit der reifen, tiefen Stimme und dem Selbstbewusstsein, mit der Dienstmarke und der Waffe, attraktiv fand, wenngleich auf ganz andere Art. Die sexuelle Anziehung, mit deren Wirkung auf ihre Person sie nun wirklich nicht gerechnet hatte, verschlug ihr fast die Sprache.
Er wandte sich von den Fotos ab; doch als er den Blick auf sie richtete, konnte sie keinen seiner Gedanken lesen. »Das ist alles lange her.«
Und er hatte Freundinnen gehabt. Das wusste sie. Sie hatte sich, ehrlich gesagt, von ihm getrennt, nicht umgekehrt, aber sie hatte keinen Entschluss in ihrem Leben mehr bereut. »Ich hatte mich mit dir treffen wollen, immer wenn ich auf Stippvisite hierher zurückgekommen war. Aber … ich wusste nicht, wie.«
»Wenn es dir schwergefallen ist, dann hast du das Richtige getan.«
Weil sie ihre Gefühle keinesfalls preisgeben wollte, überspielte sie ihr Bedauern mit einem Lächeln; anders als damals. »Da hast du vermutlich recht.«
»Ja.« Er hob das Klemmbrett. »Ich muss jetzt mit deiner Mutter sprechen.« Er zögerte. »Ich werde ganz freundlich zu ihr sein – ich verspreche es dir.«
Damit wollte er sie beruhigen. Dankbar ergriff sie seinen Arm. Seine Muskeln strafften sich fühlbar. Sie blickte ihn an und spürte, wie muskulös er war.
Einmal, im Winter, hatte sie als Guide in Alaska eine Schneeschuhwanderung geführt. Sie hatte sich zu nahe an das Lagerfeuer gestellt, weil sie sich wärmen wollte, und sich dabei die Fingerspitzen versengt. Sie hatte das Gefühl, sich auch an Joe die Finger verbrennen zu können. »Danke«, flüsterte sie.
Er blickte auf ihre Hand, dann wieder in ihre Augen. »Das ist neu.«
Demnach hatte auch er es empfunden. »Ja.«
»Das führt zu nichts.«
»Joe …«
»Glaube mir.« Langsam entzog er sich ihrer Hand, warf ihr aber noch einen fragenden Blick zu.
Nun gut, sie hatte es verstanden. Sie hatte, ohne zurückzublicken, ihre tiefe, immerwährende Freundschaft aufgegeben und zahlte nun den Preis dafür. Joe hatte seinen Beruf. Und Cindy. Nicht zu vergessen Cindy – die mit dem hungrigen Blick und dem Haifischlächeln. Du spinnst, flüsterte sich Summer ob ihrer jähen Eifersucht selbst zu,
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