Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
auf die Arbeit zu konzentrieren – so wie sie es seit zwei Jahren taten.
Im Laden herrschte das Chaos. Die Wände waren bis auf die Holzverschalung verkohlt, die Möbel entweder zerschmolzen, verbrannt oder schwammen in Schlamm und Trümmern am Boden. Joe öffnete die Linse seiner Kamera und begannt zu fotografieren.
Das Erste, was sofort ins Auge fiel, waren die Wachsflecken im gesamten Laden. Kerzen, dachte er grimmig und fotografierte sie. »Summer meint, dass sie vielleicht eine hat brennen lassen.«
Kenny machte ein besorgtes Gesicht. Sie beide wussten genau, wie gefährlich Kerzen waren. Sie sahen jedes Jahr Hunderte von Bränden, die darauf zurückzuführen waren. Sie wateten durch drei Zentimeter Wasser und Ruß, gingen zu jedem einzelnen Wachsflecken und vermerkten ihn.
Der Brandherd hatte sich im kleinen Badezimmer des Besitzers befunden, das abseits vom Hauptgeschoss lag – ein Raum mit Holzvertäfelung und Parkettboden. Nach dem Brandmuster zu urteilen, war der Brand hier entstanden. Es gab eine Kerze, die ursprünglich auf dem Porzellanwaschbecken gestanden hatte und jetzt nur noch ein weiterer Wachsflecken auf dem Holz war.
»Wenn die Leute wüssten, wie viele Brände nach der Statistik durch diese Dinger versursacht werden … Ob sie sie dann noch kaufen würden?«
»Ganz bestimmt. Die Leute gehen davon aus, dass es ihnen schon nicht passiert.« Seltsam war allerdings, dass es hier keinen zusätzlichen Brennstoff gab, der die Kerze, wenn sie hier umgekippt sein sollte, weiter hätte brennen lassen. Den gab es auch unter dem Brandmuster auf der gegenüberliegenden Wand nicht.
Das bedeutete, dass die Kerze nicht der Ursprung des Feuers gewesen war. Wie üblich holte Joe seinen tragbaren Detektor für Brandbeschleuniger hervor. Der Anzeiger spielte verrückt.
Joe wechselte einen langen Blick mit Kenny.
»Interessant«, sagte Kenny.
Wenn man davon ausging, dass dies ein Badezimmer war, gab es jede Menge Möglichkeiten: Nagellackentferner, Öl, Chemikalien. Ein Unfall infolge von Nachlässigkeit.
Oder Vorsatz. Joe sah genauer hin. An der Wand unter dem Brandmuster war ein Toilettenpapierhalter angebracht. Das Papier selbst gab es nicht mehr, aber er sah sich die Mauer an und konnte erkennen, wie es vor dem Feuer ausgesehen haben könnte.
Das Papier hängt herunter, taucht in eine Pfütze aus Benzin oder Farbverdünner oder welchem Brandbeschleuniger auch immer. Das Papier hätte wie ein Docht funktioniert, und wenn die Rolle sich vollgesogen hätte – um so besser.
Man hätte ein Streichholz anzünden und es in die Benzinpfütze werfen können.
Paff.
Über dem Rollenhalter war ein Handtuchhalter mit mindestens zwei Handtüchern gewesen. Noch mehr Brennstoff. Mittlerweile waren die Flammen heiß, schossen senkrecht hoch und hätten die Holzvertäfelung erreicht, die Holzdecke.
Eine Holzkiste, die kurz vor dem Explodieren stand.
All das wurde unter dem offensichtlicheren »Beweis« der Kerze versteckt, die man bequemerweise hatte brennen lassen.
Die Flammen waren über die Decke gesprungen, an der anderen Wand herunter und dann hinaus. Weil der Laden geschlossen war und das Bad sich genau in der Mitte des Gebäudes befand, konnte das Feuer sich immer schneller ausbreiten, außer Kontrolle geraten, bevor irgendjemand draußen den Geruch bemerkt hatte.
Es gab hier jede Menge Motive. Rache, psychische Erregheit, Versicherungsbetrug. Das wussten sie beide. Das hatten sie beide schon alles erlebt.
Kenny öffnete den Kasten, in dem er Beweise sammelte. »Wir nehmen am besten alles mit. Schließlich sind wir gerade von der Annahme eines Unfalls zu Gott-weiß-was gekommen.«
»Ja.« Joe fuhr sich über die Augenbraue und legte seine Kamera zur Seite. Zusammen begannen sie, den heißen, feuchten, winzigen Raum ganz penibel auszufegen.
»Du warst also die ganze Nacht wach?«, fragte Kenny, als Joe wieder einmal ein Gähnen nicht unterdrücken konnte.
»Ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Aha.«
Joe blickte finster und setzte sich. »Was zum Teufel soll das heißen?«
»Es heißt, dass ich jetzt weiß, warum du so gereizt bist. Dir hat man es wohl letzte Nacht nicht besorgt.«
»Ich bin nicht gereizt.«
»Und ob, aber du willst ja nicht darüber reden.«
»Das stimmt.« Joe steckte seine Taschenlampe ein. »Weißt du, ich wollte ihr nur helfen.«
»Weil sie dir nichts bedeutet.«
Joe biss die Zähne zusammen und sah sich genau an, was noch im Raum war. Nach dem Feuer, dem Wasser
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