Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
»Weil ich dachte, dass du es dir vielleicht noch einmal anders überlegst.«
»Mutter, nein.«
»Heute früh war es für dich schon schlimm, an das Feuer überhaupt nur zu denken.«
»Es ist schon okay«, sagte Summer.
»Es tut mir so leid, dass du das alles noch einmal erleben musst.«
Schon wieder.
Ihre Mutter sprach das Wort nicht aus, aber es schwebte über ihnen, so wie der Geist ihres Vaters vor zwölf Jahren. »Es geht mir gut. Du bist es doch, die durch all das durchmuss: Schäden, Albträume wegen der Versicherung …«
»Summer, hör mir zu.« Camilles plötzlich so eindringlicher Ton erschreckte sie ebenso wie die Art, in der sie Socks absetzte und ihre Hand ergriff. »Das ist alles nicht wichtig. Wenn du abreisen möchtest, verstehe ich das. Und das meine ich wirklich so.«
Summer suchte im Gesicht ihrer Mutter nach dem Grund, warum sie ihre Abreise so sehr wünschte, fand aber keinen. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich hierbleibe«, sagte sie langsam. Ich möchte, dass du möchtest, dass ich bleibe.
Fast unmerklich ließ ihre Mutter die verkrampften Schultern hängen.
Erleichtert? Mit Bedauern? Summer hatte nicht die geringste Ahnung. »Wenn ich doch nur mehr tun könnte!«
»Dass du hier bist, ist schon genug«, Camille drückte zweimal ihre Hand. »Gott helfe uns beiden.«
»Mutter.« Summer war erschrocken, ohne zu wissen warum. »Alles wird gut.«
»Ja, das wird es. Weil das Leben immer weitergeht.« Camilles Lächeln war herzzerreißend traurig. »Das jedenfalls behauptet Tina immer.«
»Es ist jetzt zwölf Jahre her«, sagte Summer sanft. »Es ist in Ordnung, wenn das Leben weitergeht.«
Camille blickte auf ihre verschränkten Hände. »Ich weiß, dass die Leute mich für verrückt halten, weil er mir immer noch so sehr fehlt.«
Tiefe Trauer ergriff Summer, ergriff ihre Kehle. Darüber hatten sie nie miteinander gesprochen. Es war falsch, dass sie miteinander nie darüber gesprochen hatten. »Ich glaube nicht, dass du aufhören solltest, ihn zu vermissen. Du solltest in der Lage sein, weiter zu lieben, sogar andere Menschen.«
»Gibt es dafür eine Anleitung?«
Summer lachte gezwungen, beugte sich zu ihrer Mutter vor und umarmte sie – es war eine Umarmung, die sich so richtig anfühlte, dass sie glaubte, niemals loslassen zu wollen, aber als es an der Tür klopfte, sprang Camille auf und ging in den Flur.
Vor ihr standen zwei schlanke, hoch aufgeschossene Fire Marshals. Einer von ihnen sehr gepflegt, mit lockerem Lächeln und einer Harry-Potter-Brille, der andere mit einer Kamera um den Hals. Er sah Summer in einer Weise an, dass sich ihre Körpertemperatur augenblicklich auf ein gefährliches Niveau erhöhte.
Die letzte Nacht war … erstaunlich gewesen. Gut zu wissen, dass Joe Walker ihr solcherlei Stressabbau verschaffen konnte, wenn sie es brauchte. Aber sie hoffte inständig, dass es auch ihm wirklich nur darum gegangen war und nicht um mehr.
Camille ließ Summers Hand los und wurde zur vollendeten Gastgeberin. Mit ihrem besten »Kommen Sie herein, und trinken Sie mit mir eine Tasse Tee aus meinem feinsten Porzellan«-Lächeln ging sie vor. Kenny folgte ihr und ließ Joe mit Summer allein.
Er trat so nah zu ihr, dass niemand hören konnte, worüber sie sprachen. Sein Gesichtszüge waren markant. Ein gutaussehendes Gesicht, das mit zunehmendem Alter sicher an Charakter gewann. »Du hältst hier durch?«
»Klar.«
Sein Willkommenslächeln verschwand. »Die Wahrheit, Red!« In seinen Augen lag Besorgnis, und seinen Mund umspielte eine Ernsthaftigkeit, die den Wunsch in ihr erweckte, sich in seine Arme zu werfen und von ihm ganz fest gehalten und beschützt zu werden.
Was völlig ihrer Überzeugung widersprach, er wäre lediglich gut für ihre Stressabbau. Sie erinnerte sich daran, dass sie schlecht dafür ausgerüstet war, mit etwas Tiefergehendem umzugehen. »Mir geht’s gut. Was machen deine Schienbeine?«
»Voller blauer Flecken.« Warmherzig-sanft suchte er ihren Blick. »Hast du gut weitergeschlafen, nachdem ich fort war?«
»Sicher. Es war ja keiner mehr da, der mir die Decke wegziehen konnte.«
»Du weißt nur zu gut, wer immer die Decke wegzieht, und das bin nicht ich.« Er strich über die dunklen Flecken zwischen ihren Augen. »Um wie viel Uhr willst du weg?«
»Die Pläne haben sich geändert. Ich bleibe so lange hier, bis alles wieder in Ordnung ist. Der ganze Versicherungskram.«
»Im Gegensatz zu anderem Kram.«
»Wie zum Beispiel?«
Sein Blick
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