Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
Cindy …«
» Wuff .«
Das war unverkennbar das Bellen eines Hündchens; Joe hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Er lief an Kenny vorbei und warf einen Blick in den Karton. Darin lagen eine Daunendecke und ein dunkles, schlammfarbenes Etwas.
Ein schlammfarbenes Etwas, das sich bewegte, winselte und dann wieder bellte. »Ein Welpe ? Was soll denn ein Hund hier?« Das Hündchen war schokoladenbraun, hatte treue Augen und eine rosafarbene Zunge, die ihm aus dem Maul hing, während es Joe schläfrig ansah.
»Die Kleine ist unser neuer Spürhund«, sagte Kenny. »Gefällt sie dir?«
»Wenn sie dir gehört, dann mag ich sie sehr.«
»Ja, aber wo du es ansprichst.« Kenny setzte eine zerknirschte Miene auf. »Sie sollte mir gehören, aber dann hat mein Vermieter gesagt: keine Hunde.«
»Du wohnst nicht zur Miete.«
»Ich bin da unerbittlich.«
Das Hündchen krabbelte aus dem Karton, fiel zweimal auf den Rücken, jaulte frustriert auf und blickte Joe aus seinen dunklen, dunklen Welpenaugen an. Joe knickte ein, hob den Welpen auf, und sofort wurde ihm das Gesicht vom Kinn bis zur Stirn abgeleckt.
»Das Tierheim hat gestern Welpen verschenkt«, sagte Kenny. »Ich bin dort vorbeigefahren, kurz bevor sie schlossen. Sie war die Letzte, die noch übrig war. Ich meine, schau sie dir doch mal an, ich konnte sie doch nicht einfach allein lassen, oder?«
»Du hättest dort gar nicht vorbeifahren sollen.«
»Ich weiß. Aber sie wird bestimmt ein super Spürhund. Schau dir nur mal ihre Nase an.«
Wie aufs Stichwort krauste der Welpe die Nase, dann legte er den Kopf auf Joes Brust und hechelte, glücklich und zufrieden.
»Sie hat dich sofort liebgewonnen«, sagte Kenny.
Das Hündchen konnte nicht mehr als ein paar Pfund wiegen, doch es fühlte sich an wie das Gewicht der Welt. Sie stellte eine Verantwortung dar, eine riesengroße, und Joe bezweifelte, dass er sie tragen konnte. »Ich brauche keinen Hund«, sagte er und strich dem Welpen über das weiche Fell.
»Schau ihr in die Augen, und sag es ihr selbst.«
Joe blickte hinunter auf den Welpen, dann sah er wieder seinen Partner an. »Warum hast du das getan?«
»Sie hat gestern Abend praktisch alles gefressen, was nicht niet- und nagelfest war. Ich dachte, ich wäre bereit für einen Hund, aber sie ist verrückt.«
»Bring sie zurück.«
Die beiden Männer sahen den Welpen an, der sie mit geneigtem Kopf ansah und leise winselte.
»Ich kann das nicht«, sagte Kenny kläglich. »Ich dachte, ich könnte es, aber … nimm du sie.«
»Nein.«
»Ach, komm schon. Wäre es so schlimm, eine echte Freundin zu haben? Eine emotionale Bindung einzugehen?«
»Weißt du was? Fang nicht mal davon an.« Er hatte erst zwei Abende zuvor eine höllische Gefühlsbeziehung erlebt, doch nicht er würde die ganze Geschichte beenden, sondern Reds eigene so genannte Bindungsangst. »Ich wohne auf einem Segelboot. Wie führt man einen Hund Gassi auf einem Schiff?«
»Sehr vorsichtig.«
»Das ist nicht komisch. Bring sie zurück.«
»Uuups«, sagte Kenny, nahm seinen Pieper und las das Display ab. »Ich muss los.«
»Denk nicht mal daran – Kenny !«
Aber es war zu spät, er war schon gegangen.
Joe stieß einen derben Fluch aus, was aber auch nichts änderte. Er war allein mit dem Welpen. »Na, prima. Also, ich muss jetzt auch los.« Zu niemandem. Zum Hündchen. Er setzte es in den Karton, ging zur Tür und blieb stehen, als er ein jammervolles Winseln vernahm. »Du kannst einfach nicht mitkommen.«
Sie neigte den Kopf. Ein Ohr schlug ihr ins Gesicht, und sie nieste.
»Okay, du bist süß. Das gebe ich zu. Aber du kannst trotzdem nicht mitkommen.«
Wieder winselte sie herzzerreißend.
»Ach, was soll’s.« Er ging zurück und hob sie auf. »Du musst aber ganz brav sein, ja?«
Sie leckte ihm noch einmal das Gesicht ab; er seufzte, denn er wusste nur zu gut, dass auch die besten Vorsätze fehlschlagen konnten.
Am darauffolgenden Morgen unternahm Summer mit einigen Kunden eine Kajakfahrt – und stellte einigermaßen entsetzt fest, dass diese sie anschließend für ein paar ihrer Freunde buchten. Summer notierte sich die Termine für die weiteren Fahrten und erledigte dann den Versicherungspapierkram für ihre Mutter, eine Arbeit, die ihr endlos vorkam. Am Abend joggte sie, um Stress abzubauen.
Sie lief durch die Stadt, nicht den Strand entlang, weil sie, wie sie sich einredete, ein anderes Tempo laufen wollte; doch als sie plötzlich vor dem drei Tage zuvor
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