Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
sagte, rückte Abdallah eine Handbreit von ihm ab und maß ihn von oben bis unten.
»Schickt dich mein Vater?«
Auf diese Frage vermochte Welid nicht zu antworten. Er blickte vor sich hin, aber seine Augen waren wie erloschen, und seine Lippen murmelten Worte aus den letzten Koransuren:
»Ich nehme Zuflucht zu dem Herrn der Menschen, dem König der Menschen, dem Gott der Menschen, vor dem Einflüsterer, der da Übles einflüstert in die Brust des Menschen - ja, Zuflucht nehme ich zum Herrn der Morgenröte vor allen bösen Geistern und Menschen.«
Dann saßen sie einander stumm gegenüber.
Endlich raffte sich Abdallah auf zu einem Wort.
»Du willst für mich in den Tod gehn, Welid«, sagte er, »und ich habe dich so tief beleidigt. Verzeih mir. Sieh, was ich jetzt bin, hat er aus mir gemacht. Ich kann keinem Menschen mehr trauen, nicht einmal mir selber.
Deshalb wäre auch dein Opfer völlig sinnlos. Denn selbst wenn das ganz Unwahrscheinliche geschähe, wenn mein Vater mir verziehe und dich zu mir schickte mit Anträgen seiner Freundschaft - ich würde ihm nicht glauben. Zu oft schon hat er sein Wort gebrochen!«
»Nun gut, dann bleibe ich bei dir.«
»Bei mir, Welid? Das ist sehr gefährlich. Mein Vater wird alle Anstrengungen machen, um mich wieder in seine Gewalt zu bekommen, und wenn er dich mit mir zusammen ergriffe ...«
Abdallah brach den Satz ab, schwieg, fuhr dann plötzlich auf. »Bleib bei mir, Welid! Damit ich jemanden habe, mit dem ich reden kann! Über Absicht und rechtes Handeln, über Sünde und Barmherzigkeit, über Allah und den Scheitan. Vielleicht kann ich doch noch ein Mensch werden, der den Weg über die haarfeine Brücke findet.«
Welids Schwester war nicht die bevorzugte Frau im Harem des Kalifen. Aus allen Himmelsrichtungen hatte man ihm Sängerinnen und Tänzerinnen zugeführt, und es war Marjam nicht geglückt, sich an erster Stelle zu behaupten. Hischam zog sich mehr und mehr von ihr zurück. Doch das war ihr ziemlich gleichgültig, denn eine lähmende Müdigkeit hatte ihre Seele erfasst.
Was bedeutete ihr Hischam? Dieser Schwächling, der sich in stundenlangen Gebetsübungen um die Frische seiner Jugend, um die Kraft seines Mannestums brachte? Wie sehr, das zeigte sich bald, und man spöttelte insgeheim im Palast darüber: Eine Frau nach der ändern nahm er in die Arme, aber keine empfing ein Kind.
Ein Kind. Ja, wenn er ihr ein Kind gezeugt hätte, dem sie hätte Mutter sein dürfen, dann hätte ihr Leben einen Inhalt bekommen und sie hätte sich abfinden können mit der Sinnlosigkeit eines Daseins, das ihr von früh bis abends nur Überdruss brachte und immer schwerer zu ertragen war.
Die Schuld an ihrem Unglück schob sie aber nicht auf Hischam, sondern auf al-Manßur. Er hatte ihr Mondhir entrissen. Er hatte den Bruder in die Fremde getrieben (oh, niemals hätte Welid eingewilligt, dass der Kalif sie überhaupt zu sehen bekam!), und er war es auch gewesen, der den Betrug mit ihrem Kind ermöglicht hatte. Ach warum hatte sie den schlauen Plan nicht durchkreuzt? Warum zugelassen, dass Romeileh sich ihres Sohnes bemächtigte und sie zur Seite schob? Warum hatte sie sich das Recht auf ihr Kind nicht ertrotzt? Achtzig Geißelhiebe? Nun wohl. Wenn sie an ihnen gestorben wäre, wie Amir, Merwes Sohn, um so besser! Was alles wäre ihr erspart geblieben! Wenn sie aber die Marter überstanden hätte, so wären die Striemen vernarbt, sie hätte den Sohn behalten, und niemandem wäre es auch nur im Traum eingefallen, sie, die Entehrte, in den Harem des Kalifen zu führen.
Subeiha zog Marjam zu sich heran, weil sie sich diese Frau ihres Sohnes zur Vertrauten machen wollte, tun zwischen sich und al-Manßur eine Vermittlerin zu haben.
Unauffällig musste es ja sein, wenn Marjam, seine Milchverwandte, zwischen dem Palast des Kalifen und dem des Großwesirs hin und her ging. Marjam war die Vertraulichkeit, mit der die Mutter ihres Gatten sie auszeichnete, unangenehm, aber sie wusste sich ihr nicht zu entziehen. Und sie hätte keine Frau sein müssen, um nicht sehr bald zu spüren, wie es um Subeiha und al-Manßur bestellt war.
Kaum hatte sie herausgefunden, wie sehr Subeiha dem Großwesir verfallen war und wie sehr sie unter seiner Vernachlässigung litt, als sie auch schon ihren Plan gefasst hatte: Sie wollte die beiden entzweien, vielleicht, dass dadurch der Mann zu Fall gebracht werden konnte, dem der ganze Hass ihrer Seele galt.
Sie freundete sich mit Asma an, die beinahe
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