Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Himmel in endloser Bläue ausbreiteten. Diese Spannung beim Aufholen der Netze: Was hatte sich diesmal wohl darin verfangen? Immer nur Fische? Oder vielleicht gar einmal auch treibendes Gut? (Von Roberto erzählte man, dass er ein Fischer gewesen sei wie Pedro, ja noch ärmer, und einen Schatz aufgefischt habe, der ihn für sein Leben zum reichen Manne gemacht hatte.)
Diese Erregung, wenn sich über solchen Träumen plötzlich der Himmel verfinsterte und man vor dem aufsteigenden Gewitter floh! Würde man ihm entrinnen? Den Hafen erreichen, ehe es sich entlud? Oder das Segel reffen und sich vom Wind treiben lassen müssen, wohin immer er das Boot verschlug? Vielleicht einmal gar bis um die südlichste Spitze von Andalus herum, wenn ein Sturm aus Osten kam, der stärker war als die Strömung, die in der Meerenge herrschte. Dann würde man ins Westmeer hinausgetrieben werden, in dessen Tiefen ein Ungeheuer schlief, das alle sechs Stunden den Atem ausstieß und ihn alle sechs Stunden wieder einzog, wie ihm ein alter Fischer erzählt hatte.
Ja, die Lust am Abenteuer war immer in Welid größer gewesen als die Angst vor der Gefahr.
Aber seit Jachja ins Haus gekommen war, ahnte er von Tag zu Tag mehr, dass es Kämpfe gab, ruhmvoller als mit den entfesselten Naturgewalten, Abenteuer, erregender als jedes, das einem Mann in den Weiten des Weltmeers zustoßen kann. Und darum erschrak er bis in die tiefste Seele und zitterte am ganzen Leib, als der Lehrer ihn an der Schulter berührte und ihm zuflüsterte: »Küss dem Herrn die Hand, Welid! Er hat dir das Beste geschenkt, was ein Mensch besitzen kann: die Freiheit!«
Die Freiheit! Dieses Wort durchbrauste ihn wie ein Windstoß, der durch taube Ähren fährt. Gewiss, er hatte immer tun müssen, was ihm befohlen wurde - aber musste Muhammad das nicht auch? Er war gehalten worden wie ein Sohn - und nun brachte man ihm mit diesem Wort zu Bewusstsein, dass er ein Sklave gewesen war! Hatte er denn jemals seine Rechtlosigkeit empfunden? War er nicht zugehörig gewesen einem wohlgefügten Verband? Wollte man ihn nun aus diesem Verband ausstoßen?
Alle richteten plötzlich ihre Blicke auf ihn, und ihm schien, als müsste das schützende Dach, unter dem er sich zeit seines Lebens geborgen gefühlt hatte, plötzlich über seinem Kopf zusammenstürzen.
Die Umstehenden waren über das sonderbare Verhalten des Burschen betreten. Abu Hafs’ Gesicht verfinsterte sich. Nur Muhammad schien zu fühlen, was sich in Welids Innerem abspielte, denn ehe jemand ein tadelndes Wort aussprechen konnte, trat er auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Fürchte dich nicht«, sagte er, »was immer auch geschieht - ich bleibe dein Bruder!«
In diesem Jahr begann der Monat der Wallfahrt vier Wochen vor der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche. Das bedeutete, dass die Pilgerkarawane schon zwei Monate vor der Wintersonnenwende aufbrechen musste, um auf dem Landweg rechtzeitig in Mekka einzutreffen. Denn wer hätte sich auf einer Schifffahrt entlang der afrikanischen Küste den Winter- stürmen aussetzen wollen? Schon die kurze Überfahrt von Algeciras nach Ceuta war nicht ohne Gefahr.
Zum Emir der Wallfahrt hatte der Kalif Abderrachman seinen Neffen Mondhir bestimmt, einen stattlichen jungen Mann in der Mitte der Dreißig, blond und blauäugig wie die meisten Omaijaden von Andalus, deren Vorfahren die blonden Töchter der Goten vor allen ändern Sklavinnen sehr bevorzugt hatten.
Auf einem Schimmelhengst ritt der Prinz in Algeciras ein. Er trug eine hohe weiße Mütze und einen weißen Burnus, denn weiß war die Farbe seines Hauses.
Abu Hafs war schon einen Tag früher im Hafen eingetroffen. Muhammad und Welid hatten ihn begleitet, ebenso einer seiner jüngeren Knechte, Ibn Irsad, den er zu seiner Bedienung auf die Wallfahrt mitnehmen wollte.
Seinen Freunden hatte er Nachricht von seinem Vorhaben zukommen lassen, und sie waren herbeigeeilt, sich von ihm zu verabschieden. So war es eine stattliche Schar, die ihm das Geleit zum Hafen gab.
Als Abu Hafs aus den Rufen der Menge erkannte, dass sich der Emir der Wallfahrt eingefunden hatte, stieg er vom Pferd und seine Begleiter taten desgleichen. Der Zufall fügte es, dass sie in die erste Reihe der Menschenmenge zu stehen keimen, die eine Ehrengasse gebildet hatte und den Prinzen mit Zurufen begrüßte.
»Seht den Erhabenen, mit Hoheit Geschmückten!«
»Führe die Gläubigen sicher durch alle Gefahren des Weges!«
»Allah geleite dich und die
Weitere Kostenlose Bücher