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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Grundanlage, die allen Menschen gemeinsam ist: die Möglichkeit, Erkenntnisse zu fassen. Sobald diese Möglichkeit in ihm wirksam wird, erhält er die Eindrücke, und wenn er diese zu Denkanstößen umwandelt, erhebt er sich zur zweiten Stufe des Menschseins, in ihm wohnt dann nicht nur die empfangende, sondern auch die schaffende Denkkraft. Wirkt diese auf seine Vorstellungswelt, so erhält er Offenbarungen (und es ist Allah, der Herrliche, Erhabenerer ihm diese Offenbarung spendet!), und er wird durch den Erguss seiner Denk- und Vorstellungskraft zum Weisen, der der Vollendung zustrebt, und zum Propheten, der ein Warner und ein Künder des Kommenden ist. Denn er ist in dem Sein, in dem er das Göttliche denken kann.«
    »Und es war der Hochgelobte«, fiel Muhammad ein, »der diese Vollendung erreichte und dem die ganze Offenbarung geschenkt wurde, nachdem die Propheten vor ihm nur Teile der Wahrheit hatten fassen können! Sodass nach ihm die Menschheit keinen Propheten mehr haben wird, weil sie keinen mehr benötigt. Ist es so?«
    »Ja, mein Sohn, es ist so. Was die Menschheit heute benötigt, ist kein weiterer Prophet — aber ein wahrer Imam.«
    Betroffen sah Muhammad auf. Imame gab es Tausende, in allen Teilen der von Gläubigen bewohnten Erde. Jede betende Gemeinde stellte sich in Reihen auf hinter einem Vorbeter, der die rechte Folge der Verbeugung und Niederwerfung kannte und auch alle Koranstellen, die während der Andachtsübung gesprochen wurden. Aber war dies denn so schwer? Wäre nicht auch er, Muhammad, in der Lage, in Abwesenheit seines Vaters der Hausgemeinde als Imam zu dienen, wenn nicht Abu Hafs ausdrücklich Jachja ben Jezid dazu bestimmt hätte?
    Jachja nahm sehr wohl das Befremden wahr, das sich in den Mienen seines Schülers ausdrückte, und er erriet dessen Gedanken.
    »Ich meine nicht den Imam, der die täglichen Andachtsübungen der kleinen Gebetsgruppen leitet - ich meine den Imam der Imame - den Leiter der Gemeinde aller Gläubigen, der ihr voranschreitet und sie zu jenem Zustand führt, den der Hochgelobte gemeint hat, als er sagte: ›Alle Moslems sind Brüder.‹«
    Bei diesen Worten tat sich vor Muhammads Seele ein Abgrund auf. Standen sich nicht allzu oft diese »Brüder« in unversöhnlichem Hass gegenüber? War nicht die Ausbreitung des Glaubens, die unter den ersten Nachfolgern des Propheten so unaufhaltsam vorangeschritten war, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein schien, wann sich der ganze Erdkreis vor Allah dem Allmächtigen niederwerfen würde, schon längst überall ins Stocken geraten, seit sich die Gläubigen in Machtgier und Meinungswut gespalten hatten und gegenseitig zerfleischten?
    Aber war nicht, trotz alledem, der jeweilige Kalif dieser Imam, der der Gemeinde der Gläubigen voranzuschreiten hatte?
    »Welcher Kalif?«, war Jachjas Frage, als Muhammad seine Gedanken aussprach. »Es gibt heute zwei Emire, die den Titel Stellvertreter des Propheten‹ und ›Beherrscher der Gläubigen für sich in Anspruch nehmen.«
    Das war dem Sohn Abu Hafs’ freilich nicht unbekannt. Aber er hatte auf Jachjas Frage auch die Antwort bereit: »Mein Vater sagt, dass nur dem Beherrscher von Andalus jener Titel gebühre und mit ihm die Oberherrschaft über das ganze Reich, weil nur er ein Omaijade ist. Denn die Abbasiden, die in Bagdad herrschen, sind Usurpatoren, die sich nur durch heimtückischen Meuchelmord des Thrones bemächtigt haben.
    Jachja lächelte auf seine tiefgründige Weise. »Und warum soll die Familie der Omaijaden die einzige sein, die würdig wäre, den Kalifenthron zu besteigen? Weißt du nicht, dass sie von allen Verwandten des Hochgelobten die letzten waren, die sich zu ihm bekannten?«
    »Ja, aber Uthman, der dritte Kalif, der ihnen angehörte, hat sie durch seinen Märtyrertod beglaubigt.«
    »Und Ali, der einzige der Schwiegersöhne, der dem hochgelobten Nachkommen zeugte - ist der nicht ebenfalls durch Mörderhand gefallen? Und sollen seine Sohnessöhne in Ewigkeit von diesem Erbe ausgeschlossen bleiben?«
    »Sie haben es verspielt! Sie haben nur Spaltung und Zwietracht unter die Gläubigen gebracht! Die Söhne Alis waren unfähige Schlemmer. Hasan ließ sich mit Geld dazu bewegen, aufs Kalifat zu verzichten - und wahrlich, die Omaijaden haben ihm nicht wenig dafür gezahlt! - damit er seine Zeit mit Heiraten und Scheiden zubringen könne. Und Husain empörte sich gegen Jazid, der schon den Huldigungseid der Gläubigen empfangen hatte - mein Vater sagt, der

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