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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Alltäglichkeit. Etwas anderes erregte seine Aufmerksamkeit. Er hatte ein Endchen Papier entdeckt, das unter dem Fuß der Öllampe hervorragte. Er hob sie auf und nahm es in die Hand. Es war beschrieben.
    »Du hast recht, Sohn Abu Hafs’«, schrieb Jachja, »dein Vater würde meine Ansichten nicht teilen. Da ich es aber für ein Unrecht meinem Wohltäter gegenüber halte, während seiner Abwesenheit Lehren in seinem Hause zu verbreiten, die er nicht gutheißen würde, und andererseits für ein Unrecht meinem Meister gegenüber, wenn ich die Erkenntnisse, die ich ihm verdanke, meinen Schülern vorenthielte, kann ich nicht länger hier bleiben. Allah segne euch und stärke euch. Er, dessen Weisheit größer ist als die aller Menschen, lasse euch in keinen Irrtum fallen. Jachja ben Jezid.« Und dann der Nachsatz: »Ich fühle mich nicht berechtigt, die Geschenke, die ich von Abu Hafs erhalten habe, mitzunehmen, da ich den Auftrag, seinen Sohn bis zu seiner Wiederkehr zu unterrichten, nicht ausführen kann. Deshalb lasse ich alles, was ich durch seine Güte erworben habe, zurück außer dem Papier, das für ihn wertlos wurde dadurch, dass ich es beschrieb. Wenn er es aber billigt, möchte ich, dass die Laute in Welids Eigentum übergeht.«
    Muhammad hatte laut vorgelesen, nun ließ er das Blatt sinken. Tränen traten ihm in die Augen. Er sah nicht, dass die Türe aufging und Murrakisch hereinkam und hörte nicht, wie der Alte mit Welid flüsterte. Er kam erst wieder zu sich, als der Knecht ihn am Ärmel berührte.
    »Die Stunde des Gebetes ist längst angebrochen, junger Herr. Und der Imam ist nicht zu finden. Willst nicht du ...?«
    Da ging Muhammad, ohne zu antworten, in den Hof hinaus. Das Gesinde war schon versammelt, der Teppich aufgerollt, er zeigte die Richtung an, die nach Mekka hin weist.
    Vorgeschrieben war diese Richtung und zur Gewohnheit geworden, sodass Muhammad sich dessen kaum noch bewusst wurde, wenn er seine täglichen Gebete verrichtete. Heute aber, als er vortrat und sich hinter ihm die Beter in Reih und Glied aufstellten, war es ihm mit einem Mal, als sähe er die heilige Stätte, die er ja nur aus Beschreibungen kannte, mit seinen eigenen Augen: Die Kaaba, das Haus Gottes, von den Scharen der Wallfahrer umringt. Und mitten unter ihnen den Vater im Pilgergewand, Lenden und Schultern von den beiden Ichram - Tüchern umwunden, die ihm seine Töchter vor der Abreise aus Flachsfäden gewebt hatten. Barhaupt und barfuß umschritt er das Gotteshaus, blieb einen Augenblick stehen vor dem schwarzen Stein, betastete ihn mit den Händen, berührte ihn mit den Lippen.
    Ganz heiß wurde dem Sohn, als er sich so das Bild seines Vaters vergegenwärtigte. Nun hat er es vollbracht, das heilige Werk, dachte er, nun ist er auf dem Heimweg, und bald wird er hier stehen, an dieser Stelle. Aber bis es so weit ist, werde ich ... und er sprach mit lauter Stimme: »Versammelt sind wir, o Allah, um das Gebet der Morgenfrühe zu verrichten.« Und die Leute, die hinter ihm standen, wiederholten: »Ja, das Gebet der Morgenfrühe wollen wir verrichten, o Allah.«
    Unmittelbar hinter Muhammad hatte sich Welid aufgestellt und stimmte mit allen ändern in die Eröffnungssure ein:
    »Lob sei Allah, dem Weltenherrn, ihm dem Erbarmer,
    ihm dem Barmherzigen, dem König am Tage des Gerichts.
    Dir dienen wir und zu dir rufen wir um Hilfe.
    Leite du uns den rechten Pfad,
    den Pfad derer, denen du gnädig bist,
    denen du nicht zürnst und die nicht irregehn.«
    Aber nur seine Lippen bewegten sich, während seine ganze Aufmerksamkeit auf den vor ihm Stehenden gerichtet war. Ja, Muhammads Haltung entsprach in allem der Vorschrift, er verbeugte sich genauso tief wie Jachja und berührte dabei mit den Handflächen die Knie, und beim Aufrichten reckte er die Hände genauso hoch in die Luft. Auch die heiligen Worte trug er halb gesungen und halb gesprochen vor, und sein »Allah hört auf den, der ihn lobt«, klang wie aus Jachjas Munde.
    Plötzlich wurde Welid von tiefer Scham erfasst. Wie, stand er hier, um Muhammads Gebete zu überwachen, nicht vielmehr, um seine eigenen zu verrichten? Er warf sich auf die Erde. »O Allah, vor dir sind deine Geschöpfe wie Staub, aber du ziehst sie auch empor aus dem Staube« — und er merkte nicht, dass alle sich wieder erhoben hatten und die Andacht zu Ende war.
    Nach dem Gebet sagte Muhammad zu Welid: »Geh und hol unsere Pferde aus dem Stall. Wir wollen ihm nachreiten.«
    »Wem?« fragte Welid. »Jachja?

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