Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
überrascht wie erschrocken. Noch nie hatte Ibn Abi Amir einen derartigen Wunsch geäußert. Und wohin wollte er Merwe bringen? Hatte er denn Geld, um in Cordoba einen eigenen Hausstand zu gründen? Oder sollte die arme Merwe das kärgliche Leben unter Abu Derradschs Dach mit ihm teilen? Da ging es ihr im Hause Achmed ben Sukkarahs wahrlich viel besser.
Ibn Abi Amir gab nicht gleich Antwort, und Welid beeilte sich hinzuzufügen: »Sie ist nicht schön. Du konntest im Dunkeln nicht erkennen, wie groß ihr Mund ist, wie rot ihre Nase, wie grau ihre Haut, und dass sie auf dem rechten Bein hinkt.«
»Nein, Welid, du hast bei hellstem Licht nicht erkannt, was ich im Dunkeln gesehen habe.«
»Und das wäre?«
»Dass ihr Mund nicht groß, sondern mit Schminke vergrößert ist. Und so wird auch die Röte der Nase und die Graufärbung der Haut künstlich sein. Auch hinkte sie durchaus nicht, als sie uns entsprang.«
»Aber eine Frau wird sich doch niemals selbst entstellen.«
»Warum sollte sie nicht? Wenn sie sich nicht mehr verkaufen lassen will, es sei denn an einen Mann, den sie sich selbst aussucht!«
»Und wenn dem so ist - kannst du nicht soviel Erbarmen für die Unglückliche aufbringen, dass du das berücksichtigst?«
»Ach, du Einfaltspinsel - eben weil ich es berücksichtige: Geh und frage ihren Patron, was er für sie verlangt. Es wird ja nicht allzu viel sein. Aber selbst wenn - ich bin ab heute Ibn as-Salims Sekretär.«
Welid entfernte sich rasch. Doch ging er nicht zu Achmed ben Sukkarah, sondern suchte Merwe. Nach kurzer Zeit fand er sie im Garten, fasste sie am Handgelenk und zog sie hinter einen Busch. »Hab keine Angst«, sagte er, »ich tu dir nichts zuleide. Ich will dir nur etwas sagen.«
Sie schwieg, aber er fühlte, dass sie am ganzen Körper zitterte.
»Es hat sich ein Käufer für dich gefunden.«
»Hast du mich verraten?«
»Nein, Merwe — du selbst ...«
»Dann ist es dein Freund?«
»Ibn Abi Amir, mein Milchbruder.«
Sie weinte.
Welid wusste vor Verlegenheit nicht, was er tun sollte. Schließlich sagte er: »Es gibt eine Möglichkeit, dir zur Freiheit zu verhelfen.« »Und die wäre?«
»Der Patron hat versprochen, mir diejenige von euch zu schenken, in die ich mich verliebe. Ich lasse dich mir schenken und gebe dich frei.«
»Das würde dir dein Milchbruder niemals verzeihen.«
»Warum nicht? Wenn er dich haben will, kann er dich ja heiraten.« Merwe stieß einen Laut aus, der fast wie ein Lachen klang. »Nein, nein«, sagte sie, »er braucht Gattinnen anderer Herkunft als mich!«
»Du willst also seine Sklavin werden?« Fast zornig klangen Welids Worte.
»Er gehört zu denen, die Macht über die Menschen haben. Das weißt doch auch du. Also geh und tu, was er dich geheißen hat.«
Am Morgen nach dem Fest herrschte beste Stimmung im Hause Achmed ben Sukkarahs. Selten hatte der Patron an einem Tage so große Einnahmen gehabt. Selbst für eine Magd wie Merwe hatte er noch eine ansehnliche Summe erzielt. Und er knauserte nicht mit Geschenken für Welid, dem er eine Reihe von Käufern verdankte.
Als sich Merwe von ihm verabschiedete, hatte sie sich so verändert, dass er sie kaum wieder erkannte. Nicht nur, dass ihr Mund klein, ihre Nase hell, ihre Wangen rosig geworden waren, dass sich ihr Haar unter dem durchsichtigen Schleier in kunstvoll gelegten Wellen um den Kopf schlang, selbst ihre Figur schien anders geworden zu sein, größer und schlanker, da sie sich gerade hielt wie ein Lilienstängel und den Kopf, den sie bisher immer etwas gesenkt hatte, hoch emporreckte, als trüge er ein Diadem.
»Du kleines Luder«, sagte Achmed ben Sukkarah. »Wenn ich dich so gesehen hätte, wärst du mir um den doppelten Preis nicht feil gewesen.«
»Du wirst mehr als das bekommen«, antwortete Merwe, und ihre Stimme klang weder schnippisch noch erregt, sondern so, als handelte es sich um etwas, das sie gar nicht berührte. »Wenn Ibn Abi Amir ein großer Herr geworden ist, wird er dir so viel für mich nachzahlen, wie ich ihm wert bin.«
Trotz aller Geschenke, die Welid erhalten hatte, konnte er seine Niedergeschlagenheit kaum verbergen. Dem alten Abu Talib vertraute er endlich seinen Kummer an. »Am liebsten ginge ich heute schon fort von hier. Was für einem Schicksal führt man diese armen Geschöpfe entgegen?« Und er erzählte ihm Merwes Geschick.
»Meinst du, wir seien verantwortlich für alles Unheil, das unsern Schülerinnen widerfährt?« fragte Abu Talib. »Dann dürfte
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