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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Ebene hin sehen, die mit ihren bewässerten Feldern selbst im heißesten Sommer einen erfrischenden Anblick bot. Das Minarett der großen Moschee, das über die Dächer ragte wie ein ausgestreckter Arm über die Köpfe einer Menschenmenge, schien zum Greifen nahe zu sein. Den Gebetsruf des Muezzins trug der Südwind bis hinauf an die Ohren der Bewohner.
    Ibn Abi Amir hatte noch nie eine Frau in den Armen gehalten, denn sich eine Gattin oder eine Sklavin zu erwerben, dazu hatten seine Mittel nicht gereicht, und sich unerlaubtem Liebesgenuss hinzugeben, dazu waren die Lebensregeln seines Elternhauses zu streng gewesen. Die Mägde aber, die er von seinem Vater geerbt hatte, waren alle mindestens doppelt so alt wie er selber, dazu verbraucht und müde - so war es ihm nicht einmal zu Bewusstsein gekommen, dass sie ihm zur Verfügung standen.
    Merwe verstand es, mit ihrem Herrn umzugehen wie mit einem Instrument, das sie von Grund auf beherrschte. Sie verstand die Kunst, zur rechten Zeit zu reden und zur rechten Zeit zu schweigen. Sie wusste, wann sie ihn locken musste und wann sich spröde zeigen. Sie schmollte nie so lange, dass es ihm fade wurde, und niemals bot sie ihm eine Liebkosung, die ihm lästig gewesen wäre. Manchmal hüllte sie sich in Schleier, dass er ihr Gesicht kaum zu sehen bekam, und manchmal trug sie ein Seidenhemd, das so tief ausgeschnitten war, dass auf ihrer entblößten Schulter die Narbe sichtbar wurde, die sich als einzige Unebenheit rot und böse von ihrer Haut abhob.
    Als Abi Amir diese Narbe, die sich bis tief hinunter auf ihren Rücken zog, zum ersten Mal sah, fuhr er mit dem Finger ganz leicht darüber, und sie zitterte bei der Berührung. »Was ist das?« fragte er, und seine Stimme wurde rau.
    »Ein Andenken an den Neffen meines ersten Herrn. Als er mich in den Gärten von Basra entdeckte und zu seinem Oheim zurückbrachte, schlug mich der Alte, bis ihm der Arm erlahmte. Dann sagte er: ›Ich kann nicht mehr. Nimm du sie vor, du bist stärker.‹ Aber dem Niederträchtigen, der mich hasste, weil ich nichts von ihm hatte wissen wollen, waren seine Hände wohl zu gut, um mich zu schlagen. Er nahm einen Riemen und zerfetzte mir mit einem Hieb die Haut. Ich schrie so, dass der Alte dazwischensprang und er nicht weiter zuschlagen konnte. In seinem Ärger darüber verließ er das Zimmer und zischte mir noch im Vorbeigehn in die Ohren: ›Jetzt hab ich dich gezeichnet!‹
    Der Alte war halb taub und hatte wahrscheinlich nicht verstanden, was sein Neffe zu mir sagte, aber doch wohl begriffen, worum es sich handelte: dass mich der Junge (ach, er war gar nicht einmal so jung, schon über vierzig) haben wollte und ich mich ihm widersetzte und er nur auf den Tod seines Oheims lauerte, um ihn zu beerben und mir seinen Willen aufzuzwingen. Denn mein Herr verkaufte mich bereits an einem der nächsten Tage, und ich nehme an, deshalb, weil ihn dieser Gedanke empörte.«
    Ibn Abi Amir spürte, wie sein Blut zu fiebern begann bei der Vorstellung dessen, was man ihr angetan hatte, und in selbstquälerischer Anwandlung fragte er: »Aber Firas hat dich wohl niemals geschlagen?«
    »Firas? Ich weiß nicht, wen du meinst. Ich habe den Namen nie gehört.«
    »Nun, den Freund dieses sauberen Neffen, den Mann, der dich entführt hat ...«
    »Mich entführt? Ich bin ganz allein geflohen.«
    »Wie - hast du nicht meinem Freund Welid selber erzählt, dass du diesen Firas geliebt hast?«
    »Dein Freund Welid ist ein Dichter, mit dem die Fantasie durchging. Du bist der erste und einzige, den ich geliebt habe, seit ich dich erblickte. Alle ändern habe ich verabscheut!«
    »Wie süß du lügst!« sagte er. »Und Firas verdient ja auch nichts anderes, als dass du ihn aus deinem Gedächtnis tilgst, dieser Hund, der dich im Stiche ließ.«
    Sie antwortete nicht. Aber plötzlich sah er, dass ihre Augen voll Tränen standen.
    »Du weinst?« Es klang wie eine Drohung. Da wandte sie sich ihm zu mit einem Lächeln, das ihn entwaffnete.
    »Und du«, fragte sie ablenkend, »hast wohl niemals Schläge bekommen?«
    »Wie sollte ich nicht? Mein Vater war sehr streng. Aber er schlug mich nie aus böser Laune. Nur, wenn ich es verdiente.«
    »Und hast du es manchmal verdient?«
    »Ja, glaubst du, aus einem Jungen, der niemals Schläge verdient, kann ein Mann werden?«
    »Wirst du an dieses Wort denken, wenn dein Sohn Schläge verdient - und sie nicht zu hart ausfallen lassen?«
    »Mein Sohn? Du sagst das, als ob ...«
    »Ja, Ibn Abi

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