Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Amir, ich hoffe, es wird ein Sohn!«
Es wurde ein Sohn. Als Ibn Abi Amir ihn zum ersten Mal auf den Arm nahm, übermannte ihn ein Gefühl, wie er es noch nicht kannte. Die Verheißung, die Allah dem Stammvater Ibrahim gegeben hatte, klang plötzlich in seinen Ohren: »Du sollst ein Volk werden!« Ein Volk! Ein Volk! Heiß wurde ihm bei diesem Gedanken.
»Amir soll er heißen«, rief er der Frau zu, die lächelnd in ihren Kissen lag und jede seiner Bewegungen mit den Augen verfolgte. »Und mich soll man nicht mehr Ibn Abi Amir nennen, nach meinem Urahn, sondern Abu Amir, Vater des Amir, nach meinem Sohn!«
In Merwes Ohren drangen diese Worte nur wie von Weitem ein, sie wurden übertönt von denen, um die seit Stunden all ihre Gedanken kreisten und die sie nun aussprach:
»Ich bin jetzt eine Umm Weled«, sagte sie leise. »Eine Mutter deines Kindes. Du darfst mich weder verkaufen noch verschenken. Der Prophet (Allah segne ihn und spende ihm Heil!) hat es verboten.« »Merwe!« Erschrocken legte der Mann den Kleinen zurück in die Arme der Hebamme und fasste die feuchte Hand der Liegenden. »Als ob ich dich jemals verkaufen oder verschenken wollte ...«
»Das sagst du jetzt, Abu Amir« - nun war die neue Kunya ihres Herrn in Merwes Bewusstsein gedrungen, und sie sprach sie bewegt aus - »aber du hast den einflussreichen Mann ja schon gefunden, um dessen Tochter du dich bewerben wirst.«
Das stimmte. Abu Amir hatte Zuneigung zum Gouverneur von Sevilla gefasst, der mit seinem Vorgesetzten in Verbindung stand und bester Herkunft war: reinsten arabischen Blutes - sein Urahne zählte zu den Gefährten des Propheten - begütert und mit den Tugenden edler Männer begabt, tapfer, freigebig, redemächtig. Eine von dessen Töchtern zu ehelichen, konnte ihm nur von Nutzen sein. Aber er hatte noch mit keiner lebenden Seele über dieses Vorhaben gesprochen. »Willst du, dass ich zuerst dich heirate, Merwe?« fragte er zärtlich.
»Nur das nicht!« entfuhr es ihr, und er merkte, dass sie mit den Tränen kämpfte.
»Warum denn nicht? Du stündest dann gleichberechtigt neben jeder anderen Frau, die ich mich genötigt sähe zu ehelichen ...«
»Und du hättest das Recht, dich von mir zu scheiden wie von jeder anderen Gattin, deren du dich genötigt sähest, dich zu entledigen. Aber eine Sklavin, die dir ein Kind geboren hat, musst du für immer in deinem Hause dulden. Du kannst sie nicht einmal verstoßen!«
Ihm wurde unheimlich vor der Scharfsicht dieser Frau, und er spürte plötzlich das Verlangen, ihr wehzutun.
»Und wenn ich nun demnächst wirklich die Tochter des Gouverneurs von Sevilla heimführe und sie sich als deine Herrin aufspielt?«
»Dann werde ich ihr ebenso gut dienen wie dir selbst! Und werde sie lehren, so zu sein, wie sie dir am besten gefällt.«
»Warum denn - warum willst du das tun?«
»Um dir noch besser zu gefallen als jede andere! Ja, heirate sie! Heirate sie nur! Du musst dir Verbindungen schaffen, die dich vorwärts bringen. Du wirst doch nicht ewig in dieser Stellung bleiben wollen, abhängig von einem Vorgesetzten, der dir nur Klötze in den Weg wirft.«
Auch hier trifft Merwe den Nagel auf den Kopf, dachte Abu Amir und fragte fast unwillig: »Kennst du ihn denn?«
»Wie sollte ich nicht? Er kam oft genug in Achmed ben Sukkarahs Garten. Aber nie fiel er in Begeisterung. Nie sah ich ihn auch nur das Gesicht verziehen, wenn ein Mädchen noch so schön sang. Er beobachtete mehr die Zuhörer als die Sängerinnen.«
»Auch ich gehöre nicht zu denjenigen, die außer sich geraten, wenn ein Mädchen singt.«
»Ich weiß. Du sparst dir deine Leidenschaft für etwas Größeres auf. Er aber hat keine.«
Sie ließ sich ins Kissen zurückfallen und schloss die Augen. Ihr Gesicht wurde plötzlich so weiß, dass Abu Amir erschrocken nach der Hebamme rief. Sie brachte schnell einen kühlen Trunk, aber Merwe öffnete kaum die Lippen.
»Sie ist erschöpft, Herr«, flüsterte die Alte. »Wir müssen sie schlafen lassen.«
Merwe hatte nicht ganz recht gehabt mit der Behauptung, der Kadi Ibn as-Salim sei leidenschaftslos, denn seine Korrektheit hatte sich schon zu einer Leidenschaft ausgewachsen. Niemals erwies er irgendjemandem die geringste Gefälligkeit, und niemals sprach er irgendjemanden um eine solche an.
Dieser Ruf verschaffte ihm freilich mehr Feinde als Freunde, und einer der wenigen, die zu ihm hielten, war Moßchafi, der Geheimschreiber des Kalifen. Der war das ganze Gegenstück zu dem
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