Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
du, ein Anführer in unserm Heer braucht ihn nicht zu kennen? Wie wollte er dann Zucht halten bei seinen Untergebenen? Aber in zwei Jahren, wenn du mündig bist, will ich dir deinen Weg gern ebnen.«
Und bei sich dachte er: So kann es mir recht sein. Er höchster Feldherr, ich oberster Minister, und niemand kann sich uns mehr in den Weg stellen.
Doch wenn er selbst sich dir in den Weg stellt, er, Mondhir, dein Bruder?
Welcher Dschinn hatte ihm diesen Gedanken eingegeben? Mit einem Schenkeldruck trieb er sein Pferd an und preschte nach vorn. Und Mondhir versuchte nicht ihn einzuholen, denn Zoraida reckte ihr kleines Händchen aus dem Tragstuhl und winkte ihm. »Siehst du«, sagte sie, »die Feigenbäume! Hol mir eine Feige!«
Gehorsam lenkte er sein Pferd unter einen der Bäume, brach einige Früchte und gab sie ihr. »Sie sind aber noch grün.«
»Macht nichts«, sagte die Kleine und biss hinein.
In Roßafa waren die letzten Arbeiten am Palast Abu Amirs beendet. Man konnte ihn beziehen. Es gab das übliche Hin und Her, jeder hatte alle Hände voll zu tun, selbst die Frauen Abu Amirs konnten nicht alle Handgriffe von ihren Mägden ausführen lassen. Um die Kinder kümmerte sich niemand. Der Garten war ja umzäunt, es konnte ihnen nichts geschehen.
Dieser Garten war alt und verwildert. Amir entdeckte Haselnussstauden, und Mondhir schnitt dem Neffen Pfeil und Bogen zurecht. Abdallah, der Sohn der Hind, lief herzu und wollte ebenfalls ein solches Spielzeug haben. Und dann schossen sie um die Wette nach den Vögeln, trafen aber keine.
Mondhirs Pfeil flog am weitesten, bis zu einem Gebüsch aus Besensträuchern und dornigem Jasmin, das fast undurchdringlich war. Er lief, ihn zu holen, fand ihn aber nicht. Schon wollte er umkehren, da hörte er ein Rascheln im Gesträuch. Er zwängte sich in einen Durchschlupf zwischen Dornen und Geäst und fand mitten im Busch Marjam, die den Spielen der Knaben zusah. Drei Jahre hatte er sie nicht gesehen. Er erkannte sie kaum wieder. Aber Marjam schrie: »Mondhir!« Da presste er ihr die Hand auf den Mund.
Merwe war es, die entdeckte, dass Marjam schwanger war. Sie hatte sich mit Romeileh angefreundet, wie es oft geschieht, dass Menschen, die sich sehr unähnlich sind, sich gegenseitig anziehn, und Marjam, die der Frau des Bruders nicht mehr als Gefügigkeit entgegenbrachte, schloss Merwe ins Herz.
Das Kind wusste selbst nicht, wie ihm geschehen war. Es war still und in sich gekehrt, konnte stundenlang in einer Ecke hocken und vor sich hinstarren. So fand Merwe es eines Tages und legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter. »Was hast du, Kleine? Bedrückt dich etwas?«
»Ich weiß nicht.« Plötzlich standen Tränen in Marjams Augen. »Ich glaube, ich bin verzaubert worden.«
Und Merwe, mit dem Blick der Kundigen, erkannte, was noch kein anderer gesehen hatte.
»Du musst deinen Bruder von Cordoba entfernen«, sagte sie zu Abu Amir, als es ihr einmal gelang, mit ihm allein zu sein. »Er hat seine Milchschwester in Unehre gebracht.«
»Mondhir?« fuhr Abu Amir auf. »Marjam?«
»Ja, Marjam ist von Mondhir schwanger.«
»Hatte ich nicht verboten, die Kinder jemals wieder zueinander zu lassen?«
»Mit Verboten richtet man nicht immer aus, was man bezweckt.« »Ich werde sie auspeitschen lassen – beide!«
»Damit würdest du dir nur selber schaden. Wenn diese Schande offenbar wird, ist es auch deine Schande.«
»Und wie willst du verhindern, dass sie offenbar wird?«
»Mit Romeilehs Hilfe. Du weißt, dass sie unfruchtbar ist. Sie ist bereit, das Kind als das ihre auszugeben, unter der Bedingung, dass auch Welid es dafür hält.«
»Und wie soll das vor sich gehn?«
»Sehr einfach: Du musst ihn für ein halbes Jahr von Cordoba entfernen. Das Übrige lass dann meine Sorge sein.«
»O ihr Frauen!« sagte Abu Amir und sah Merwe bewundernd an, »mit euren Listen seid ihr uns turmhoch überlegen.«
»Nicht überlegen, Herr. Die Lüge ist die Selbstständigkeit der Schwachen.«
»Und was wäre dann die Selbstständigkeit der Starken?«
»Gewalt.«
»Und dazwischen gibt es nichts?«
»Doch. Dazwischen liegt das Leid. Das Erdulden des Unrechts. Das ist die Selbstständigkeit der Heiligen. Ich bin nicht heilig.«
»Ich auch nicht.« Abu Amir lachte. »Und du bist immer noch schön, Merwe. Deine Selbstständigkeit steht dir gut.«
Er küsste sie und ging in der Nacht zu ihr. Es war das letzte Mal, dass er sie in die Arme nahm. Aber die Genugtuung, ein Kind zu
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