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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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als das geschehen war, setzte er den Schröpfkopf an.
    Nach einer Weile kehrte Hakams Bewusstsein zurück. Als er die Augen aufschlug, sah er in Dschaudhars Gesicht, das sich über ihn beugte. »Was ist geschehn?« fragte er mühsam.
    »Nichts von Bedeutung. Ein kleiner Schwächeanfall. Geht bald vorüber. Wünscht der Beherrscher der Gläubigen zu trinken?«
    Hakam wollte eine abwehrende Handbewegung machen, aber die Rechte versagte ihm den Dienst. »Nichts zu trinken«, antwortete er, »den Koran.«
    Dschaudhar brachte ein prächtiges, in cordobanisches Leder gebundenes, mit Golddruck verziertes und in schönster maghrebinischer Schrift geschriebenes Buch.
    »Nicht diesen. Den aus der Schatzkammer.«
    In der Schatzkammer lag die kostbarste Reliquie der Omaijaden. Ein Koran, so schwer, dass zwei Männer ihn tragen mussten. In ihm waren vier Blätter jenes heiligen Buches enthalten, in dem Othman, der dritte Nachfolger des Propheten, gelesen hatte, als ihn der Dolch des Meuchelmörders traf. Und diese Blätter, die sein Märtyrerblut aufgefangen hatten, waren der einzige Schatz, den der letzte Omaijade retten konnte, als er der Verfolgung durch die Abbasiden nach Andalus entkam.
    Diesen Koran holte man herbei, schlug die prächtig gestickte Decke auf, in die er eingehüllt war, und ließ ihn vor Hakams Bett auf die Erde nieder.
    »Legt meine rechte Hand darauf.«
    Fajik tat es, doch sie belebte sich nicht.
    Nach einer Weile sagte der Kalif: »Die achtzehnte Sure!«
    Man musste die erstorbene Hand von dem Buch wieder herunterheben, ehe man es aufschlagen konnte. Dann begann der Eunuch halb singend zu lesen:
    »Gelobt sei Allah, der die Schrift seinem Diener herabgesandt, und alle Mühe darauf verwandt, ihn zu leiten auf dem Pfad, der recht ist und gerad, damit er die Ungläubigen warne vor der Strafe, die ihnen droht, falls sie sich nicht bekehren vor ihrem Tod ...«
    »Nicht diese Stelle!« Hakam hüstelte ungeduldig. »Lies weiter vom sechsundvierzigsten Vers.«
    »Vermögen und Söhne sind Flitter des diesseitigen Lebens, vor Allah schmückst du dich damit vergebens. Bleibenden Wert haben allein deine guten Taten, das sind die Saaten, die Gott reifen lassen wird, dir zum Lohn.«
    »Ja, Dschaudhar«, unterbrach der Kalif, »sie sind verzeichnet im Buche des Lebens, und vergebens, wenn dein Tag verging und einbrach deine Nacht, suchst du die darin, die du nicht vollbracht!« Und seine Augen füllten sich mit Tränen.
    Dschaudhar schlug den Koran zu, denn er wusste, je weiter er vorlas, desto mehr würde sich die Erregung des Kalifen steigern. »Mein Herr sollte jetzt schlafen«, sagte er, »dann wird er gekräftigt erwachen und kann noch viele gute Taten tun.«
    Hakam versuchte, dem Rat seines Dieners zu folgen - es gelang ihm nicht. Umsonst schloss er die Augen - er sah die Bilder, die ihn bedrängten. Umsonst vergrub er den Kopf in die Kissen - er hörte die Stimmen, die ihn bedrohten:
    Nakir und Monkar warten schon am Rande deines Grabes. Sie werden deine Seele in Empfang nehmen, Beherrscher der Gläubigen, und dich ihrem Verhör unterziehn wie den letzten deiner Untertanen. Sie werden dich nicht fragen: Kennst du die Gesetzesvorschriften? Sondern: Hast du sie erfüllt? Nicht fragen: Sprachst du die Suren des Korans fehlerlos aus? Sondern: Fielen die heiligen Worte in dein Herz? Nicht fragen: Was hast du gelehrt? Sondern: Was hast du getan?
    Was getan? Bücher gesammelt und herbeiholen lassen aus allen drei Erdteilen. Fünfzig Hefte allein die Register. Jedes Heft zwanzig Blätter. Auf jedem Blatt hundert Namen. Die meisten Bücher gelesen, mit Randglossen versehn. Den Gelehrten eine Heimstätte errichtet. Sie kamen von nah und fern.
    -Und die Ungelehrten? Die Armen, die ihre Kinder in keine Schule schicken konnten? Hakam richtete sich mühsam auf.
    »Schreib, Fajik: Alle Einnahmen aus der Miete der Sattlerläden sollen für ewige Zeiten dazu verwendet werden, die Schullehrer zu besolden, von denen die Kinder der Armen unentgeltlich unterrichtet werden.«
    Er sank in das Kissen zurück, erschöpft und doch nicht beruhigt, denn die Gedanken wühlten in seinem Hirn.
    Das Haus Allahs habe ich vergrößert. Hunderte von Säulen der Moschee hinzugefügt. Gebetsnischen mit Goldmosaik, silberne Kandelaber ...
    -Und wer hat die Kosten dafür getragen?
    »Schreib, Dschaudhar: Den Gläubigen aller Provinzen sei ein Sechstel der Steuern erlassen.«
    Und die Ungläubigen?
    -Die Ungläubigen behandelt nach Allahs Gebot.

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