Zu Staub Und Asche
nicht missbrauchen. Wahrscheinlich wollte er sein Anwaltsgewissen reinhalten. Schließlich entband Wanda ihn von seiner Schweigepflicht, und zu meiner Enttäuschung bestätigte er alles, was Wanda uns erzählt hatte.«
»Hat sie ihn vielleicht angemacht? Hat er irgendetwas zugegeben, das über eine normale Anwalt-Mandanten-Beziehung hinausging?«
Fern riss die Augen auf. »Wie kommst du denn darauf?«
»Mag sein, dass es ein bisschen weit hergeholt ist.« Hannah erzählte der Freundin von der Silvesterparty auf Crag Gill. »Ist Doshi verheiratet?«
»Der Kollegin, die seine Aussage aufnahm, erzählte er etwas von einer behinderten Frau. Wir haben festgestellt, dass sie älter ist als er und an einer frühen Form von Parkinson leidet, aber von allen Seiten her wird versichert, dass er ein sehr liebevoller Ehemann sein soll. Kann ja gut sein, allerdings war meine Kollegin ganz hingerissen von ihm. Stuart Wagg ist also nicht der einzige Charmeur in dieser Kanzlei.«
Hannah fragte sich, ob Stuart Wagg inzwischen wieder aufgetaucht war, und das wiederum erinnerte sie an ihr Gespräch mit Daniel am Abend zuvor. Sie ermahnte sich, sich keinesfalls ablenken zu lassen.
»Vielleicht war der Typ, den sie mit Wein begossen hat, ihr Liebhaber«, grübelte Fern. »Oder er hat sie abblitzen lassen. So wie ich Wanda einschätze, würde sie eine Zurückweisung nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
»Wer würde das schon tun?«
Fern warf ihr einen scharfen Blick zu. »Ich bin sicher, du hast weniger Erfahrung mit Zurückweisung als die meisten von uns.«
»Wieso hat Wanda eigentlich freiwillig zugegeben, dass sie an eine Scheidung dachte?«, wechselte Hannah rasch das Thema.
»Genau genommen war das ein sehr geschickter Schachzug. Viele Leute wussten, dass sie beim Anwalt war. Auch wenn die Anwälte selbst die Klappe halten, gibt es in den Kanzleien immer noch Empfangsdamen und Sekretärinnen, die durchaus ganz gern einmal aus dem Nähkästchen plaudern. Wanda hielt es offenbar für besser, uns gleich reinen Wein einzuschenken.«
»Und wie lautete ihre Erklärung?«
»Sie sagte, sie hätte schon innerhalb der ersten zwölf Monate festgestellt, dass sie nicht zueinanderpassten. Wenn du mich fragst, hat sie dazu nicht einmal zwölf Minuten gebraucht. Sie hatten ein einziges gemeinsames Interesse - die Bücher. Aber das reichte nicht. Sie ist eine äußerst anspruchsvolle Person, während George an eine kleinlaute Frau gewöhnt war, die ihren Platz kannte. Wanda wurde irgendwann nervös und gab keine Ruhe, bis er sein Unternehmen vertickte. Sie hoffte wohl, dass sie seinen Ruhestand in luxuriösen Feriendomizilen genießen würden. Aber die Villa in Spanien war ihm exotisch genug, und auch dort verbrachte er die meiste Zeit damit, Golf zu spielen und mit seinen ausgewanderten Kumpeln Trinkgelage zu feiern. Sie behauptet, dass sie ihn durchaus nicht hasste und dass nichts Unangenehmes an ihm war.«
»Bis auf die Tatsache, dass er gern Golf spielte?«
»Weißt du was?« Fern kicherte. »Er scherzte immer, man solle ihm im Fall seines Todes Fairway to Heaven auf den Sarg schreiben. Inzwischen hört sich das gar nicht mehr so witzig an, vor allem, weil kaum noch etwas von ihm übrig war, das man in einen Sarg hätte legen können. Wanda jedenfalls behauptet, dass es ihr nicht eilig damit war, George zu verlassen.«
»Und was war mit ihm?«
»Wanda sagt, er wäre glücklich mit ihr gewesen. Sie hat ihm nie die ehelichen Pflichten vorenthalten, und anscheinend reichte das, ihn dazu zu bringen, den Kleinverlag weiter zu unterstützen. Sie beschloss, das neue Jahr noch abzuwarten und zu sehen, wie sie sich dann fühlte.« Fern hielt inne, um den letzten Bissen ihres Frühstücks hinunterzuschlucken. »Tja, und dann war er plötzlich knuspriger geröstet als dieses Stück Frühstücksspeck hier.«
»Hatte sie andere Männer?«
»Sie gab ein paar Abenteuer zu, allerdings nicht mit Doshi.«
»Hat sie die Männer angemacht oder umgekehrt?«
»Sie behauptet, es hätte sich um gute, alte Bekannte gehandelt. Der eine war Stuart Wagg, der andere Nathan Clare.«
Hannah legte ihren Toast auf den Teller. »Ich habe gerade gestern erst mit Clare gesprochen.«
»Ist er nicht ein charmantes Kerlchen?« Fern verzog das Gesicht. »Schon nach den ersten fünf Minuten hatte ich das geradezu unwiderstehliche Bedürfnis, ihm die Eier abzuschneiden.«
»Wieso hat es bei dir so lang gedauert?«
Fern gluckste. »Wie ist es möglich, dass
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