Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
Kategorie seiner Großmutter gesteckt worden ist.
»Wir haben mehrere gegessen, und sie waren gut«, sagt Tommy. Er und Jay arbeiten seit mindestens einer halben Stunde an ihrer Seite, haben Gläser und Teller und Bestecke eingesammelt, die auf dem Rasen, der Veranda und im ganzen Haus verstreut waren, sogar an den unwahrscheinlichsten Stellen wie in Blumentöpfen und unter Sofakissen.
Die Jungs – in ihrer Vorstellung sind sie immer noch Jungs – haben den Geschirrspüler wesentlich geschickter vollgepackt, als sie es in ihrem erschöpften Zustand je gekonnt hätte, und in den Spülbecken heißes Seifenwasser und kaltes Spülwasser für die Gläser vorbereitet.
»Wir können sie doch einfach als nächste Ladung in den Geschirrspüler tun«, hat Joyce gesagt, aber Tommy hat das abgelehnt.
»Du kämst nicht auf die Idee, sie in den Geschirrspüler zu packen, wenn du trotz allem, was du heute um die Ohren hattest, noch bei klarem Verstand wärst.«
Jay wäscht ab, Joyce trocknet ab, und Tommy stellt weg. Er weiß immer noch, wohin in diesem Haus alles gehört. Draußen auf der Veranda führt Matt ein anstrengendes Gespräch mit einem Mann von der Fakultät. Offenbar ist er doch nicht so betrunken, wie seine zahlreichen Umarmungen und ausführlichen Abschiede vor kurzem noch andeuteten.
»Gut möglich, dass ich nicht bei klarem Verstand bin«, sagt Joyce. »Im Augenblick habe ich das Bauchgefühl, das ganze Zeug wegzuschmeißen und Plastik zu kaufen.«
»Post-Party-Syndrom«, sagt Tommy. »Wie wir das kennen!«
»Wer war denn das Mädchen in dem schwarzen Kleid?«, fragt Joyce. »Das dem Spiel den Rücken gekehrt hat.«
»Christie? Du musst Christie meinen. Christie O’Dell. Sie ist Justins Frau, hat aber ihren Namen behalten. Du kennst doch Justin.«
»Natürlich kenne ich Justin. Ich wusste nur nicht, dass er verheiratet ist.«
»Mein Gott, wie sie alle erwachsen werden«, sagt Tommy spöttisch.
»Justin ist dreißig«, fügt er hinzu. »Sie ist wahrscheinlich älter.«
»Definitiv älter«, sagt Jay.
»Sie sieht interessant aus«, sagt Joyce. »Wie ist sie so?«
»Sie ist Schriftstellerin. Sie ist ganz in Ordnung.«
Jay, der über das Spülbecken gebeugt ist, gibt ein Geräusch von sich, das Joyce nicht zu deuten weiß.
»Gibt sich gern distanziert«, sagt Tommy. Er richtet sich an Jay. »Hab ich recht? Würdest du das auch sagen?«
»Sie hält sich für einsame Spitze«, sagt Jay deutlich.
»Sie hat gerade ihr erstes Buch veröffentlicht«, sagt Tommy. »Ich hab vergessen, wie es heißt. So ein Ratgeber-Titel, ich fand ihn nicht gut. Aber wenn man sein erstes Buch herausgebracht hat, ist man eben eine Weile lang einsame Spitze.«
Als Joyce ein paar Tage später auf der Lonsdale an einem Buchladen vorbeikommt, sieht sie das Gesicht des Mädchens auf einem Plakat. Und da steht auch ihr Name, Christie O’Dell. Sie trägt einen schwarzen Hut und dasselbe schwarze Jäckchen, das sie auf der Party anhatte. Maßgeschneidert, streng, sehr tief ausgeschnitten. Obwohl sie fast nichts hat, um damit anzugeben. Sie schaut direkt in die Kamera, mit ihrer düsteren, verletzten, leicht anklagenden Miene.
Wo hat Joyce sie schon einmal gesehen? Auf der Party natürlich. Aber auch da, in all ihrer wahrscheinlich unbegründeten Abneigung, hatte sie das Gefühl, dieses Gesicht schon einmal gesehen zu haben.
Eine Schülerin? Aber sie hat schon so viele Schülerinnen gehabt.
Sie geht in den Laden und kauft das Buch.
Wie sollen wir leben
. Kein Fragezeichen. Die Frau, die es ihr verkauft, sagt: »Und wenn Sie es Freitagnachmittag zwischen zwei und vier mitbringen, wird die Autorin hier sein, um es für Sie zu signieren. Sie dürfen nur nicht den kleinen goldenen Aufkleber abreißen, der zeigt, dass Sie es hier gekauft haben.«
Joyce hat nie verstanden, was die Leute daran finden, sich anzustellen, um einen Blick auf einen Autor zu werfen und dann mit der Unterschrift eines Fremden im Buch davonzugehen. Also murmelt sie etwas Höfliches, ohne sich auf ja oder nein festzulegen.
Sie weiß nicht einmal, ob sie das Buch lesen wird. Sie hat sich gerade zwei gute Biographien vorgenommen, die bestimmt eher nach ihrem Geschmack sind.
Wie sollen wir leben
ist eine Sammlung von Erzählungen, kein Roman. Schon die erste Enttäuschung. Das scheint das Gewicht des Buches zu verringern, als sei seine Verfasserin jemand, der sich nur an die Pforten der Literatur klammert, statt sich in ihr sicher niedergelassen zu
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