Zu viele Morde

Schlichtes weißes Briefpapier, schwarzer Druck, noch nicht mal das Füllhorn als Logo. Ja, alles vom Feinsten, aber trotzdem Understatement.«
    »Dann machen wir zwei, Delia, uns jetzt an die Arbeit und lesen«, sagte Carmine. »Corey, du übernimmst die Krankenhauswache. Melde jede Veränderung von Smiths Zustand direkt an mich. Der Chef der Neurochirurgie, Tom Dennis, ist ein Freund von mir. Abe, du hältst die Stellung, was Dee-Dee, Sir Lancelot und Pauline Denbigh angeht. Wenn eine neue Spur auftaucht, übernimmst du das.«
    »Wonach suchen wir?«, fragte Delia, als Abe und Corey gegangen waren. »Ich kann es mir natürlich denken, aber ich hätte lieber genaue Anweisungen.«
    »Falls es ein schriftlicher Code sein sollte, haben wir kaum eine Chance, ihn zu knacken«, meinte Carmine und runzelte die Stirn.
    »Du meinst, Aussagen wie ›Die Wolken sind dunkel über dem guten, alten Leningrad‹?«
    »Ja. Wenn ›Der Drall beginnt sechzig Zentimeter weiter unten im Lauf‹ tatsächlich bedeutet ›Erwartet in naher Zukunft nichts mehr von mir‹, würden wir es nicht wissen. Aber ich glaube nicht, dass das die Informationen sind, die uns interessieren. Wir suchen nach Plänen und Formeln, die wahrscheinlich auf Mikropunkte reduziert worden sind.«
    »Wie groß ist ein Mikropunkt?«, fragte Delia.
    »Kelly zufolge jede Größe, die logisch erscheint, vom Punkt über einem i über einen Fliegendreck bis zum Fadenkreuz in einer fünf Zentimeter großen Zeichnung eines Zieles. Sie müssen aber gar nicht unbedingt rund sein. Rund wird nur weniger leicht entdeckt, da die Natur nicht linear ist.«
    Ihr Gesicht legte sich betroffen in Falten. »Ach, Carmine!Hier sind im wahrsten Sinne des Wortes mindestens eine Million i-Punkte! Selbst wenn Mr. Smith mehrere Tage im Koma liegt, haben wir keine Chance, sie zu finden.«
    Auf der Anrichte stand eine frische Kanne Kaffee. Carmine schenkte sich eine Tasse ein und setzte sich auf einen Bürostuhl mit Rollen, den er sich aus dem Sekretärinnenzimmer beschafft hatte, weil er so im Sitzen hin und her rollen konnte. »Deswegen gehen wir einfach mal nicht davon aus, dass die Mikropunkte über einem i sind. Oder zumindest nicht über einem i mit einem normalen Punkt. Wir sollten nach Punkten suchen, die zu groß sind. Die so aussehen wie Druckfehler oder wie verschmiert. Kelly ist so zugeknöpft, ich konnte nicht viel brauchbare Information aus ihm herausquetschen, also überfliegen wir alles, Delia. Soweit ich weiß, haben Kameras auch ihre Grenzen, also kann der Reduktionsprozess nur so weit getrieben werden, bis eine neue Aufnahme gemacht werden muss und der Prozess von Neuem beginnt. Seit das Wettrennen im Weltraum begonnen hat, sind viele Dinge schnell auf Miniaturformat geschrumpft, aber …« Carmine zuckte die Achseln. »Den besten Rat, den ich dir geben kann, ist: Nutze deinen Menschenverstand, Delia. Wenn etwas anders aussieht, sollten wir ausprobieren, ob man es ablösen kann. Wenn man es entfernen kann, sollten wir es unter einem von Patsys Mikroskopen fünfzig- bis hundertfach vergrößern.«
    Sie begannen zu lesen, Delia die Briefe, Carmine die Berichte. Eine Stunde verging.
    »Wie ungewöhnlich!«, sagte Delia plötzlich.
    Carmine schreckte hoch. »Hmh?«
    »Hat Mr. Smith nicht den Ruf, nie einen Finger zu rühren?«
    »Das haben zumindest meine Quellen behauptet.«
    »Nun, für jemanden, der die ganzen Jahre seines Vorstandslebens im Leerlauf gefahren ist, hatte er aber eine ganze Reihevon Leuten ziemlich scharf im Auge. Genauso wenig ist er darüber erfreut, während seiner Abwesenheit auf seine Beobachtungen verzichten zu müssen. Ich lese gerade einen Brief, den Mr. Smith offensichtlich an M. D. Sykes schicken wollte, einen General Manager bei Cornucopia. Ich vermute, das bedeutet, Mr. Sykes bestellt Briefpapier, prüft die Löhne und Gehälter, kümmert sich um die Verträge mit der Reinigungsfirma, solche Dinge. Aber von Zeit zu Zeit musste Mr. Sykes für Leute einspringen, die in der Hierarchie über ihm standen.«
    »Nicht zu fassen!«, rief Carmine aus. »Ich hätte nicht gedacht, dass Smith jemanden, der als General Manager bei Cornucopia arbeitet, überhaupt bemerkt und schon gar nicht Sykes. Aber zu vermerken, was Sykes geleistet hat … Ist der Brief interessant?«
    »Er ist relativ lang. Mr. Smith stellt dar, was Mr. Sykes in der Vergangenheit geleistet hat, wenn er für ältere Kollegen eingesprungen ist, und lobt seine Gewissenhaftigkeit und seine