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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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wollte, zuckte er nur gutmütig mit
den Achseln und wandte sich wieder seinen eigenen kleinen Welten zu, zeichnete
Linien in den Boden und bevölkerte seine Länder mit Kieseln und Zweigen. Er
folgte seiner Mutter, ohne zu murren, und verrichtete die Aufgaben, die man ihm
übertrug, zuverlässig. Er war intelligent – Daddy gab ihm Privatstunden in Mathematik
und Naturwissenschaften in seiner Praxis, manchmal zusammen mit mir. Oft
schimpfte er dann über seine Söhne, die seiner Ansicht nach nur halb so klug
waren.
    Ich ahnte, dass Robert etwas Besonderes war. Er unterschied sich
nicht nur von den wenigen farbigen Jungen, die ich kannte, sondern auch von den
weißen. Trotzdem hatte ich mich nie zuvor für ihn, seine Träume oder Wünsche
interessiert.
    An jenem Abend änderte sich das. Ich wollte alles über ihn erfahren.
Doch bevor ich ihn fragen konnte, hielt die Straßenbahn mit quietschenden
Bremsen neben uns.
    Im vorderen Teil der Straßenbahn entfernte ich mit einem Taschentuch
Rouge und Lippenstift, während Robert mich vom hinteren aus mit Adleraugen bewachte.
Kurz vor der Ortsgrenze von Shalerville, eine Haltestelle zu früh, stiegen wir
getrennt aus. Der Fahrer sah mir mit besorgtem Blick nach, doch als ich ihm
beruhigend zulächelte, fuhr er los. Er hätte Robert um diese Uhrzeit ohnehin
nicht in Shalerville aussteigen lassen dürfen.
    In dem Tal zwischen dem Licking River und dem Steilufer, auf dem wir
in Richtung Ort gingen, arbeiteten die Stahlwalzwerke von South Newport rund um
die Uhr. Aus dieser Höhe schienen die hellen Lichter, der Rauch und das
rhythmische Stampfen der Maschinen ganz ohne Menschen zu entstehen. Noch nie
hatte ich in der Nacht diese phantastisch-unheimlichen Fabriken aus der Nähe
gesehen. Plötzlich verwandelte sich mein Wunsch, so schnell wie möglich nach
Hause zu kommen, in das Bedürfnis, die gemeinsame Zeit zu verlängern. Robert
schien es genauso zu gehen, und so betrachteten wir gemeinsam diese ferne,
fremde Welt.
    Kurz vor Shalerville verlangsamte ich meine Schritte. Das Schild
kannte ich nur zu gut; ich kam jedes Mal daran vorbei, wenn ich den Ort betrat
oder verließ. Heute errötete ich bei seinem Anblick vor Scham. Obwohl Robert
mich gerettet hatte, durfte er mich wegen dieser Vorschrift, die ich bis dahin
nie hinterfragt hatte, nicht bis nach Hause begleiten. Ich las den Text auf dem
Schild wie zum ersten Mal.
    Â»Nigger, lass dich nach Sonnenuntergang nicht in
Shalerville blicken.«

VIER
    DORRIE, GEGENWART
    Hinter Dallas säumten immer dichter werdende Kiefernwälder
die Straßen, und ich bekam zunehmend ein Gefühl der Beklommenheit wie seit
jeher in East Texas.
    Miss Isabelles Traurigkeit dagegen schien durch die Erinnerung an
ihr Newport-Abenteuer etwas nachgelassen zu haben, und ich hätte gern noch den
Ausgang der Geschichte erfahren. Aber ausgerechnet an der Ausfahrt zu meinem Heimatort kam Miss Isabelle auf die Idee, dass es
Zeit zum Essen wäre.
    Â»Hier?«, fragte ich entsetzt.
    Â»Warum nicht? Ist doch deine Heimatstadt. Schau, da drüben auf der
anderen Seite von der Überführung ist ein Pitt Grill. Ich wollte immer schon
mal in einem Pitt Grill essen.«
    Ich seufzte nur. Schließlich hatte ich in diesem gottverlassenen
Kaff gelebt, bis Steve und ich nach Arlington gezogen waren. Dort arbeitete ich
in einem Salon, in dem ich mehr als den Mindestlohn verdiente, und baute mir
einen Kundenstamm auf, um irgendwann einen eigenen Laden zu eröffnen, während
Steve weiter Karriere als Arbeitsloser machte. Auf die Idee, im Pitt Grill zu
essen, war ich nie verfallen. War jemand wie ich dort überhaupt willkommen?
Vermutlich hatte sich hier in den Jahren meiner Abwesenheit nicht viel
verändert.
    Â»Nun zier dich nicht so, das wird ein kleines Abenteuer.«
    Â»Wie Sie meinen, Miss Isabelle.« Ich nahm die Ausfahrt und fuhr auf
den Parkplatz. Zwei Holzlaster standen auf der freien Kiesfläche zwischen dem
Lokal und einem billigen Motel. Miss Isabelle setzte sich mit unsicheren
Schritten in Bewegung. Ich folgte ihr und betete, dass sie nicht stolperte.
Aber mir war klar, dass ich mir eine Ohrfeige einhandeln würde, wenn ich ihr
meinen Arm anbot.
    Eine Kellnerin in pinkfarbener Polyesteruniform steckte einen Bestellblock
in ihre Tasche und eilte auf uns zu. Unterwegs nahm sie eine Speisekarte von einem
Stapel. Als sie uns erreichte, begrüßte sie Miss

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