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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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Blick.
    Â»Sir?«, sagte er.
    Â»Ja, Robert? Was ist los? Hast du etwas nicht verstanden?«
    Â»Doch, Sir. Es ist nur …« Robert sah hinaus. »Es ist fast dunkel,
Sir.«
    Mein Vater blickte erstaunt zum Fenster. Ein Ausdruck der Ungeduld,
nein, der Verärgerung, huschte über sein Gesicht, aber er gewann schnell wieder
die Fassung und erklärte Robert, was er bis zum nächsten Mal lernen sollte.
    Â»Geh jetzt besser nach Hause, Robert. Wir wollen ja nicht, dass du
Ärger mit dem Chef bekommst.«
    Ich wusste nicht, wen er meinte, ob Cora oder meine Mutter, die er
manchmal als »den Chef« in unserem Haushalt bezeichnete. Aber Robert steckte
die Hefte in seinen abgetragenen Rucksack, der früher Patrick gehört hatte, und
eilte aus der Praxis.
    Â»Was ist los?«, fragte Daddy und riss mich damit aus meinen
Gedanken.
    Â»Dieses Schild …«
    Â»Was für ein Schild?«
    Â»Am Ortseingang – nicht das, auf dem Shalerville und die
Einwohnerzahl steht, sondern das andere.«
    Daddy runzelte die Stirn. »Was ist damit?«
    Â»War das schon immer da?«
    Â»Immer?« Er betrachtete seine Finger. »Nein, ich glaube nicht.« Er
richtete sich auf. »Mach dich lieber auf den Weg, sonst fragt Cora sich, wo du
bleibst.«
    Â»Ja.« Ich wandte mich zum Gehen, doch er rief mich zurück.
    Â»Bring die Arznei nach Hause und nimm dir den Nachmittag frei. Wenn
deine Mutter sich nicht wohlfühlt, störst du sie nur, oder?« Er zwinkerte mir
zu. Daddy hatte meine Frage nicht richtig beantwortet, aber ein ganzer
Nachmittag, an dem ich tun konnte, was ich wollte? Mit dem Segen meines Vaters?
Das war viel wert.
    Â»Falls deine Mutter sich später beklagen sollte, sage ich ihr, dass
es meine Idee war. Verschwinde lieber gleich. Wenn sie erfährt, dass ich dir
den Nachmittag freigegeben habe, wirkt das Pülverchen vielleicht umso
schneller.«
    Â»Au ja!« Fast hätte ich die Tür hinter mir zugeschlagen, doch ich riss
mich zusammen, solange ich mich in Sichtweite der Arzthelferin aufhielt, die
gerade den Arzneimittelschrank im Behandlungszimmer einräumte. Sie roch immer
schrecklich steril, als würde sie nie einen von Daddys Patienten anfassen.
    Â»Guten Tag, Isabelle«, begrüßte sie mich. Ich erwiderte ihren Gruß.
Sobald ich aus dem Haus und für sie nicht mehr zu sehen war, begann ich zu
laufen. Ich wurde nur langsamer, wenn ich auf der kurzen Hauptstraße von
Shalerville Leuten begegnete – an jenem Tag waren es nicht viele. Die Hitze
machte die Menschen träge; sie blieben lieber dort, wo es kühl war.
    Zu Hause hängte Nell gerade das letzte Tischtuch auf die
Wäscheleine. Ich hielt die Ecke fest, während sie eine Klammer aus Holz
darüberschob und sich die schweißglänzende Stirn abtrocknete. »Würdest du deine
Mutter bitten, das hier der meinen zu geben?«, fragte ich sie und zog das
Tütchen mit dem Kopfschmerzpulver aus meiner Tasche.
    Sie wischte ihre Hand an der Schürze ab, bevor sie es entgegennahm.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte sie. Sie kannte mich gut genug, trotz der
Kluft, die sich an jenem Abend zwischen uns aufgetan hatte. Ich wusste, dass
wir es beide bedauerten, nicht mehr wie früher hinter dem Haus miteinander
spielen oder tuscheln zu können.
    Damals hatte Mutter sich keine Gedanken über meinen Kontakt zu Coras
Familie gemacht. Jack war kaum ein Jahr älter als Patrick, weshalb die beiden
sich miteinander beschäftigten oder einander in Schwierigkeiten brachten.
Bestimmt war sie froh, dass auch ich eine Spielkameradin hatte. Nell diente
dazu, mich zu beschäftigen und mich daran zu hindern, dass ich überall im Ort
herumlief, während meine Brüder tun und lassen konnten, was sie wollten. Sie
hatte sich immer schon gesorgt, dass ich mich mit den falschen Leuten abgeben könnte,
aber das galt nicht für Nell. Wahrscheinlich hatte Mutter sie bereits im Alter
von sechs oder sieben Jahren als billige Arbeitskraft betrachtet.
    Â»Daddy hat mir den Nachmittag freigegeben. Ich geh mit einem Buch
runter zum Fluss.« Einen knappen Kilometer hinter dem Haus verlief ein sanft
mäanderndes Flüsschen, das nahe genug war, um als sicher zu gelten, jedoch auch
weit genug weg, um mir vorübergehend ein Gefühl der Freiheit zu vermitteln.
Nell und ich hatten dort als Kinder oft gespielt.
    Ihr Blick wirkte unsicher, aber sie brachte das

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