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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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war so etwas zuwider.
    Â»Ich weiß, dass Sie nie … Miss … Isabelle.« Er schüttelte den Kopf.
»Das wird schwierig. Aber wenn Sie darauf bestehen, versuch ich’s.«
    Abermals versanken wir in Schweigen, und ich wurde immer verlegener,
allerdings nicht, weil ich mit einem Negerjungen am Fluss saß, sondern weil ich
mir meines Körpers mit jeder Sekunde bewusster wurde, meiner Haut, meiner
Hände, der flaumigen Haare an meinen Schienbeinen. Ich wusste, dass meine
Mutter sich die Beine rasierte, doch ich hatte mir bisher nicht die Mühe
gemacht. Jetzt erschienen mir meine Schenkel sehr kindlich, und am liebsten
hätte ich sie unter meinem Rock versteckt.
    Und zum ersten Mal wurde ich mir auch seines Körpers bewusst, nahm
seine Haut, seine Hände und seine nackten Füße richtig wahr, den Flaum über seinen
Lippen und an seinem Kinn.
    Â»Hast du eine Freundin, Robert?«, platzte es aus mir heraus.
    Â»Früher mal«, antwortete er. »Sie hat einen älteren Jungen
geheiratet, der für die Eisenbahn arbeitet und gutes Geld als Gepäckträger
verdient. Sie wollte nicht warten, bis ich mit dem College fertig bin.« Er
zuckte mit den Achseln. »Ich nehm’s ihr nicht übel.«
    Â»Willst du denn heiraten? Und eines Tages Kinder haben?« Die
Vorstellung, was für ein Leben er jenseits aller Pflichten meiner Familie
gegenüber führen mochte, faszinierte mich.
    Â»Vielleicht eines Tages, wenn ich der Richtigen begegne. Muss wahrscheinlich
ganz schön Geduld haben mit mir.« Er grinste mich an, und ich lachte nervös.
    Würde er mich als die Richtige betrachten?
    Nein, dieser Gedanke war absurd.
    War falsch.
    Und gefährlich.
    Plötzlich schob sich eine dicke Wolke vor die Sonne, und eine kühle
Brise kam auf. Ich fröstelte.
    Als ein Donnergrollen erklang, sprang Robert auf. »Oje, da zieht ein
Gewitter auf.« Er holte die Flasche aus dem Fluss, legte sie in den Eimer und
stellte diesen zu seinen Stiefeln unter einen Baum. »Glauben Sie, wir schaffen’s,
bevor es zu regnen anfängt?« Er blickte zum Himmel hinauf, dessen Schleusen
sich genau in diesem Moment öffneten. »Stellen Sie sich lieber unter, Miss …
Isabelle. Kommen Sie!«
    Ich überlegte, ob es klug war, sich bei dem Gewitter unter einen
Baum zu flüchten. Aber da begann es zu hageln, große Körner, und ich hastete zu
ihm.
    Robert presste sich gegen den Baumstamm, damit ich genug Platz
hatte. Als es trotzdem eng wurde, wollte er sich schon entfernen, doch ich
hielt ihn am Ärmel fest.
    Â»Mach dich nicht lächerlich«, sagte ich. »Bleib da.«
    Ich hielt ihn weiterhin am Ärmel fest, ohne dass es mir bewusst war.
Robert stand mit dem Rücken zu mir; ich reichte ihm mit der Nase kaum bis zur
Schulter. Der Hagelschauer übertönte alle anderen Geräusche. Noch nie im Leben
hatte ich mich einem anderen Menschen so nahe und gleichzeitig so allein
gefühlt. Ich schloss die Finger um Roberts Arm.
    Er reagierte nicht auf meine Berührung, blieb genauso starr und
aufrecht stehen wie der alte, große Baum.
    Doch als ein weiterer Donnerschlag ertönte, zuckte ich zusammen, und
Robert zog mich wortlos an seine Brust. Ich atmete seinen Geruch ein, der sich
mit dem des Regens, der Blätter, der Baumrinde verband.
    Der Geruch erinnerte mich an einen Nachmittag, als ich sieben oder
acht Jahre alt gewesen war. Damals hatte ich mit Robert und Nell ebenfalls
unter einem Baum in der Nähe des Flusses vor einem Sommersturm Zuflucht
gesucht. Der warme Regen war uns trotz Roberts Versuchen, eine Decke über uns
zu halten, Hals und Arme heruntergelaufen. Als ich die Hand um Nells Taille
legte, berührte ich versehentlich Roberts Knöchel, und er kreischte auf wie ein
Mädchen. War das eine echte Erinnerung? Ganz sicher war ich mir nicht.
    Wir verharrten so, bis das Gewitter nachließ und es nur noch
regnete. Da ließ Robert die Hände sinken und trat einen Schritt von mir weg.
    Plötzlich fühlte ich mich nackt. Und wieder sehr allein.
    Â»Tut mir leid, das war unbedacht.« Er schob die Hände mit verlegenem
Blick in die Taschen und schaute sich um, ob jemand uns beobachtet hatte.
    Â»Mir tut es überhaupt nicht leid«, erwiderte ich.
    Ich hastete zu der Stelle, an der ich meine Sandalen abgestellt
hatte, doch natürlich waren sie nicht mehr dort. Das Wasser hatte sie
weggeschwemmt. Mit wild

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