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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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Tütchen ins Haus.
War ihr aufgefallen, dass ich kein Buch in der Hand hatte und auch keines
holte?
    Ich durfte keine Hosen tragen. Freundinnen hatten oft modisch
eng anliegende, knöchellange Beinkleider an, die ich keineswegs männlich fand,
oder Hosenröcke, die auf mich ebenfalls feminin wirkten. Mutters Bemühungen,
die Zeit anzuhalten oder besser noch zurückzudrehen, waren allumfassend. Nun
war ich ausnahmsweise froh, ein weites Baumwollkleid zu tragen, das ich beim
Waten durch das Wasser an den Seiten hochbinden konnte.
    Das Flussbett war mit Kalksteinen bedeckt, die die Strömung rund
geschliffen und geglättet hatte. Ich liebte es, in dem kühlen Wasser von einem
Stein zum anderen zu springen, bis es ohne Schwimmen nicht mehr weiterging.
Mein Badeanzug erblickte das Licht der Sonne leider nur, wenn meine Familie ein
Picknick am See machte oder mit dem Wagen nach North Carolina ans Meer fuhr.
Ich hätte ihn nie zum Schwimmen im Fluss anziehen dürfen. Obwohl ich seit der
letzten Anprobe gewachsen war, vermutete ich, dass er mir wegen meiner schmalen
Hüften und flachen Brust nach wie vor passte. Wahrscheinlich würde ich mit
einer knabenhaften Figur geschlagen sein, bis ich heiratete und Kinder bekam.
    Am Fluss zog ich das Band aus meinen Haaren, zerriss es in zwei
Hälften, raffte meinen Rock an den Seiten und schnürte ihn mit dem Band hoch.
Bestimmt sah das lächerlich aus, aber der Eitelkeit würde ich keinen freien
Nachmittag opfern.
    Am Ufer schlüpfte ich aus meinen Sandalen und sprang auf den ersten
Stein, wo ich einen Augenblick lang verharrte und gierig die frische Luft
einatmete. Dann hüpfte ich weiter, die Arme ausgebreitet wie die Schwingen
eines Fischadlers, der am Himmel seine Kreise zieht. Auf dem letzten großen,
flachen Stein vor dem anderen Ufer ging ich in die Hocke und starrte ins
Wasser.
    Plötzlich wurde ich ganz trübsinnig. Ich sehnte mich nach der Zeit,
als ich noch mehr Freiheit genossen hatte, nach den Sommern, in denen ich
unbeschwert hatte spielen dürfen – ohne dass irgendwelche Erwartungen auf mir
lasteten, die ich ohnehin nicht erfüllen mochte. Ich sei zu intelligent,
behauptete meine Mutter naserümpfend, wenn ich Daddy beim Frühstück bat, mir
die Zeitung zu überlassen, nachdem er sie gelesen hatte. Und wenn ich mit
Stapeln von Büchern aus der winzigen Bibliothek von Shalerville nach Hause kam,
beklagte sie sich, ich vernachlässige die weiblichen Fertigkeiten, die ich
später dringend benötigen würde. Aber Handarbeiten langweilten mich zu Tode. Ich
spielte mit der Idee herum, das College zu besuchen, und hatte das Gefühl, mein
Vater würde mich dabei unterstützen. Aber meine Mutter lachte spöttisch, als
ich ihr meinen Wunsch gestand: »Du? Das College? Was du als künftige Ehefrau
und Mutter brauchst, kannst du hier zu Hause lernen.«
    Anstatt aufs College zu gehen – möglichst auf ein von diesem
gottverlassenem Ort weit entfernt liegendes –, sah ich also einer Zukunft
entgegen, in der ich den nächstbesten Mann heiraten musste, um Kinder in die
Welt zu setzen und das Haus in Ordnung zu halten. Wut über meine Mutter stieg
in mir auf, denn sie würde ihren Kopf zweifelsohne in dieser Hinsicht durchsetzen.
Ich sprang zurück ans Ufer, wo ich mit den Fäusten auf den Boden einschlug und
kreischte wie ein kleines Kind. Nach einer Weile ließ ich erschöpft den Kopf
auf die Arme sinken. Dabei fiel mein Blick auf ein Paar abgetragener
Arbeitsstiefel.
    Â»Alles in Ordnung, Miss Isabelle?«
    Hastig richtete ich mich auf. »Wo kommst du denn her?« Ich bedeckte
meine feuerroten Wangen mit den Händen, so verlegen war ich.
    Â»Ich war die ganze Zeit da. Wahrscheinlich haben Sie mich nicht
bemerkt, sonst hätten Sie sich sicher beherrscht.« Er schmunzelte.
    Die Chancen, ihn hier anzutreffen, waren groß, das hatte ich
gewusst, denn wenn Robert nicht gerade etwas für Daddy erledigte, hielt er sich
fast den ganzen Sommer über am Fluss auf. Doch die Vorstellung, dass er Zeuge
meines Ausbruchs geworden war, verletzte meinen Stolz.
    Schnell wechselte ich das Thema. »Angelst du gerade?«
    Â»Ja, ich fange kleine Köderfische. Wenn ich keine erwische, geh ich
rüber zum großen Fluss. Die hier sind so winzig, dass es sich nicht lohnt, sie
zu behalten.«
    Â»Zeig mir, wie man sie fängt«, bat ich ihn. Ich hatte es selbst
schon

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