Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
probiert, aber die winzigen Fische schlüpften mir immer durch die Finger.
Robert bedachte mich mit einem argwöhnischen, verwirrten und
gleichzeitig belustigten Blick, bevor er nickte. Diesmal achtete er nicht
darauf, sich hinter mir zu halten. An Stellen, an denen das Ufer zu schmal für
zwei Personen wurde, ging er voran, um Schilf und über den Weg hängende Zweige
für mich beiseitezuschieben.
Er führte mich zu einer breiten Stelle des Flusses, wo die
Fischschwärme sich versammelten. Hier trieb das Wasser träge dahin und sammelte
sich in Wirbeln hinter gröÃeren Steinen und in Buchten am Ufer. Robert gab mir
ein Zeichen, dass ich mich setzen solle, und legte einen Finger an die Lippen.
Er stellte den groÃen Metalleimer, den er bei sich hatte, neben
mich, zog eine Limonadenflasche aus der Tasche seiner weiten Hose und hielt sie
hoch, um mir das zu einer Kugel geformte Stück Brot darin zu zeigen. Es rollte
herum wie eine Murmel. Am Flaschenhals war eine lange Schnur befestigt. Robert
zog die Schuhe aus und trat ins Wasser, dessen Oberfläche sich dabei kaum
kräuselte. Vorsichtig bewegte er sich weiter. Nach einer Weile blieb er stehen,
tauchte die Flasche ins Wasser, mit der offenen Seite in Richtung der Strömung,
und drückte sie herunter, sodass sie nicht mehr fortgetrieben werden konnte.
Dann machte er das Ende der Schnur unter einem Stein fest. SchlieÃlich kehrte
er zu mir zurück.
»Und jetzt?«, flüsterte ich.
»Warten wir«, sagte er in seiner normalen Stimme.
»Warum musste ich schweigen, wenn du redest?«
»Ich hab vorhin erlebt, wie laut Sie sein können«, neckte er mich,
nur mühsam ein Lachen unterdrückend.
Ich schüttelte den Kopf. »Und wie lange warten wir?«
»Lange genug, aber nicht zu lange.«
Während wir warteten, schwiegen wir beide. Ich, weil mir nichts
Passendes einfiel, obwohl ich mich den ganzen Sommer lang nach einer solchen
Gelegenheit gesehnt hatte. Robert, weil ihm das Schweigen offensichtlich zu
behagen schien.
»Angelst du gern?«, erkundigte ich mich schlieÃlich nach einer
Weile.
»Ist ein Zeitvertreib, und Momma muss kein teures Fleisch fürs Essen
kaufen, wenn ich ein paar Fische erwische.«
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Cora Probleme haben könnte,
Fleisch für ihre Familie zu besorgen. In meiner hatte es immer genug zu essen
gegeben, sogar in den schlimmsten Jahren der Depression. Patienten bezahlten
meinen Vater oft in Naturalien, mit eingemachten Früchten oder mit Gemüse,
manchmal auch mit frischem oder gepökeltem Fleisch. Ich wusste, dass Mutter
Cora etwas abgab, wenn wir mehr hatten, als wir essen konnten, aber ich hatte das
stets eher für eine Dreingabe als für eine Notwendigkeit gehalten. Jack und
Patrick brüsteten sich damit, zum Spaà im Wald Kleinwild zu schieÃen. Wahrscheinlich
lieÃen sie die Kadaver einfach verrotten.
Nach einer Viertelstunde stand Robert auf und zog die Flasche
vorsichtig an der Schnur aus dem Wasser. Er hielt sie mir hin. Sieben oder acht
kleine Köderfische schwammen darin. Die Brotkugel war fast noch so groà wie am
Anfang. Robert kippte die Fischchen mitsamt dem Wasser aus der Flasche in den
Eimer und watete noch einmal hinaus.
»Wie viele Fische brauchst du?«, fragte ich.
»DreiÃig oder so sollten reichen.«
Ich überschlug die dafür nötige Zeit im Kopf. Wir würden mindestens
eine Stunde hier sitzen. Ich war noch nicht lange von zu Hause weg, was
bedeutete, dass ich keine Probleme bekäme. Erst kurz vor dem Essen würde man
nach mir suchen.
»Fängst du im Herbst mit dem College an?«, fragte ich und hoffte,
dass er meine häufigen Themenwechsel nicht merkwürdig fand.
»Ja, das habe ich vor, Miss Isabelle.«
»Robert, lass doch das Miss weg und sag einfach nur Isabelle zu mir.
Wenigstens hier drauÃen.«
»Das geht nicht. Meine Momma â Ihre Momma â¦Â«, murmelte er und senkte
verlegen den Kopf.
»Die erfahren nichts davon. Bitte, ja?«
»Isabelle«, sagte er. »Na schön, dann also Isabelle.« Er verzog den
Mund zu einem Grinsen. »Sie wollen mich nicht in Schwierigkeiten bringen,
oder?«
»Nein! Natürlich nicht.« Mir sträubten sich die Nackenhaare. Manche
der Mädchen und Jungen, die ich kannte, hätten keine Skrupel gehabt, einem
Farbigen absichtlich Probleme zu bereiten, doch mir
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