Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
so klein, dass er es kaum jemals benutzen musste und die
meisten seiner Patienten zu Fuà aufsuchte. Nur selten vereinbarte er Termine in
seiner Praxis ein paar StraÃen weiter von unserem Haus. Abwechselnd mit anderen
Vätern chauffierte er mich und meine Freundinnen zu den Festen, und
gelegentlich fuhren wir zu einem Abendessen in Cincy oder verbrachten mit der
ganzen Familie einen Tag auÃerhalb des Ortes, doch die meiste Zeit blieb der
Wagen auf Hochglanz poliert in der Garage stehen.
Als ich meinen Vater anbettelte, mir das Autofahren beizubringen,
erklärte er sich dazu bereit, allerdings erst im Sommer, wenn ich ihn zu
Hausbesuchen auÃerhalb des Orts begleiten würde. Doch Mutter mischte sich ein.
»Setz Isabelle keine Flausen in den Kopf, John«, sagte sie. Sie selbst
hätte nicht im Traum daran gedacht, sich hinters Steuer zu setzen, und wollte
es auch mir nicht erlauben, weil es sich ihrer Ansicht nach nicht für eine Dame
ziemte. Daddy zuckte nur resigniert mit den Achseln, und ich stapfte schmollend
davon.
Meinen Brüdern wollte er seinen Wagen nicht überlassen, mir aber
hätte er das Fahren damit beigebracht; Mutter dagegen hätte mir das nie erlaubt
und verstand die standhafte Weigerung meines Vaters, seine Söhne hinters
Lenkrad zu lassen, nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass wir Gegenstand
eines geheimen Kampfs zwischen meinen Eltern waren. Wollte Mutter durch ihre
Nachgiebigkeit den Jungen gegenüber Rache an meinem Vater üben für ein Vergehen,
von dem ich nichts wusste? Was mochte er getan haben?
Jetzt beobachtete ich neidisch, wie Robert, die Schlüssel in der
Hosentasche, zum äuÃeren Wasserhahn trat. Obwohl ich wusste, dass meine Mutter
nachmittags immer ruhte, warf ich einen Blick in Richtung Fenster. Nachdem ich
mich vergewissert hatte, dass niemand uns beobachtete, ging ich mit meinem Buch
zu einem Liegestuhl in der Nähe des Wagens und tat so, als würde ich mich
erneut in meine Geschichte vertiefen. »Da drüben istâs mir zu kühl«, erklärte
ich.
»Ja, Maâam, heute ist ein schöner Tag, aber im Schatten kann es
frisch werden.« Robert füllte den Eimer mit Seifenlauge und trug ihn zum Wagen.
Mir wurde die schwierige Lage, in der er sich befand, klar, als er den Eimer
absetzte: Wenn er das Auto wusch, trug er normalerweise nur ein ärmelloses
Unterhemd.
Aber normalerweise saà ich auch nicht daneben.
Ich hätte aufstehen und ins Haus gehen können, doch etwas in mir
sträubte sich. Ich vergrub die Nase tiefer in meinem Buch und wandte mich ein
wenig ab, sodass er sich nicht mehr direkt in meinem Blickfeld aufhielt. Statt
das Hemd auszuziehen, krempelte Robert die Ãrmel hoch und senkte die Arme in
die Lauge. Dabei wurde der Stoff nass. Er verzog das Gesicht.
Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen.
»Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie nicht lachen«, sagte
Robert leise, den Rücken zu mir gewandt.
»Tut mir leid«, gluckste ich. »Hoffentlich brauchst du das Hemd
heute nicht mehr.«
Robert sah kurz zum Haus hinüber, tauchte den Schwamm in den Eimer
und spritzte mich damit voll. Ich schnappte nach Luft und kreischte auf.
»Oh, Entschuldigung, Miss Isabelle. Ich hatte gar nicht gemerkt,
dass Sie so nah bei mir sitzen. Sind Sie nass geworden?« Er grinste breit, und
einen kurzen Moment waren wir einfach nur zwei junge Leute, weder reich noch
arm, weder weià noch schwarz, die gemeinsam herumalberten.
In diesem Moment schlug die Fliegenschutztür zu, und meine Mutter
trat heraus. Mit einer Hand schirmte sie die Augen vor der Sonne ab. »Isabelle?
Bist du das da drüben? Ich habe ein Geräusch gehört. Du bist schon zu lange in
der Sonne, Liebes. Deine Haut wird hässlich dunkel. Komm ins Haus.«
»Gleich, Mutter«, rief ich artig zurück, auch wenn meine Stimme mich
verriet.
Sie wartete, während ich meinen Rock ausschüttelte und mein Buch vom
Liegestuhl nahm. Ich wischte den Umschlag ab in der Hoffnung, dass sie weder
die feuchten Flecken darauf entdecken noch die Seifenlauge an meiner Kleidung
riechen würde. Als sie sicher war, dass ich tatsächlich hereinkommen würde,
kehrte sie ins Haus zurück. Mit einem Blick auf Robert streckte ich ihr die
Zunge heraus, steckte die Daumen in die Ohren und wackelte mit den Fingern. Er
musste an sich halten, um nicht laut loszuprusten. Ihm gelang es besser als
mir.
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