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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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irgendwann nachlässt, aber das ist
nicht der Fall.«
    Wir standen von der Bank auf und gingen zum Wagen zurück.
    Â»Du liebst deinen Jungen, Dorrie. Und du wirst auch die Kinder
lieben, die er in die Welt setzt, ganz gleich, wie und wann.«
    Gütiger Himmel. Ich war sechsunddreißig. Die Vorstellung, Großmutter
zu werden, behagte mir nicht. Aber wie Miss Isabelle schon sagte, mir blieb wohl
keine andere Wahl, als mein Enkelkind zu lieben.

SIEBEN
    ISABELLE , 1939
    An dem Tag nach dem Gewitter half ich Mutter, die Wäsche
zu sortieren und die alten Tücher für die Kirchensammlung herauszusuchen, und
schlug vor, Cora zu fragen, ob sie Verwendung dafür habe; Roberts Bemerkung
über das teure Fleisch ging mir nicht aus dem Kopf.
    Â»Nein, nein. Cora hat genug für ihre Familie. Bei uns bekommt sie
guten Lohn. Du solltest mal sehen, wie manche im Ort leben.« Mutter wandte sich
den Stoffservietten zu. Ich kannte die baufälligen Schuppen am Rand von
Newport, konnte mir aber nicht vorstellen, wie ein Set schneeweißer
Stoffservietten und handbestickter Tischtücher Leuten helfen würde, die nicht
einmal genug zu essen hatten. Cora dagegen würde sich freuen, den Tisch hübsch
decken zu können – mit Wäsche, die sie und ihre Tochter jahrelang gepflegt
hatten.
    Doch vielleicht wäre sie zu stolz, sie anzunehmen. Alles war seit
gestern so kompliziert geworden. Ich stellte plötzlich so vieles infrage.
    Mutter schickte mich in die Küche, um ihr ein Glas kühle Milch zu
holen. Es war ein weiterer schwüler Tag, aber heute hatte ich keine
Gelegenheit, meinen Pflichten zu entkommen. Ich wollte ganz bestimmt nicht
lauschen, aber als aus der Küche gedämpfte Stimmen drangen, blieb ich stehen.
    Â»Hast du gestern die nassen Sachen von deinem Bruder gesehen?«,
fragte Cora.
    Â»Nein. Wieso nass?«, erkundigte sich Nell.
    Â»Angeblich hat der Regen ihn unten am Fluss überrascht.«
    Schweigen. Fast hätte ich die Küche betreten, doch da hörte ich
wieder Coras Stimme. »Hoffentlich macht der Junge keinen Unsinn. Könnte schlimm
für uns ausgehen. Mich freut’s, dass er die Schule abgeschlossen hat und aufs
College will, aber manchmal hab ich Angst, dass er vergisst, wo er herkommt.
Die Leute in der Gegend mögen so was nicht.«
    Wieso, was war denn passiert?, fragte ich mich.
    Â»Momma, er tut schon nichts Unüberlegtes. Dafür ist er zu klug.«
    Ich kannte Nell. Sie klang nicht überzeugt.
    Â»Hoffen wir’s. Wäre gar nicht so leicht, heutzutage einen Job wie den
hier zu finden. Wir können uns glücklich schätzen.«
    Gefährdeten Roberts Treffen mit mir tatsächlich seine Familie? Es
war doch harmlos, nur …
    Ein Flirt.
    Genau. Ich flirtete mit Robert, und seine Mutter konnte deswegen
ihren Job verlieren. Warum hörte ich nicht auf damit?
    Ich sank gegen die Wand, die Bodendielen unter mir knarrten. Nell
kam aus der Küche gehastet und blieb wie angewurzelt stehen, als sie mich im
Flur entdeckte.
    Â»Nell. Ich …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ausnahmsweise
verschlug es sogar mir die Sprache.
    Nell bedachte mich mit einem verächtlichen Blick, senkte den Kopf
und ging weiter. Am liebsten wäre ich ins Wohnzimmer geschlichen und hätte die
Uhr zurückgestellt, zu dem Zeitpunkt, als sie mir die Haare für Earlines Fest
frisiert hatte. Ich würde sie nicht zurückweisen, würde auf der Party bleiben,
keine Dummheiten anstellen und nicht so selbstsüchtig sein.
    Und Robert wäre nur ein Junge, mit dem ich im Regen Zuflucht unter
einem Baum gesucht hatte.
    Doch das Herz gibt keine Ruhe und kämpft gegen den gesunden
Menschenverstand. Schon in der folgenden Woche schob ich meine Bedenken
beiseite, wie es nur Teenager tun können, und mein Egoismus setzte sich durch.
Als ich sah, wie Robert das Haus verließ, rannte ich nach oben, ergriff die
fertig gelesenen Bücher und lief mit den Worten »Ich geh in die Bücherei!«
hinaus.
    In die Bibliothek durfte ich allein, ohne dass Mutter mir endlose
Fragen stellte. An jenem Tag hatte ich sowieso hingewollt, weswegen mein
Aufbruch nicht überraschend, wenn auch plötzlich kam.
    Ich hastete den Hügel hinunter. Am Ende unserer Straße beschattete
ich die Augen, die sich nach der Dunkelheit des Hauses noch nicht an die grelle
Sonne gewöhnt hatten.
    Als ich Robert entdeckte, folgte ich ihm

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