Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
Vom Netzwerk:
oder auf
Officer Kevin. Klar, das war sein Job, aber was sollte ich anfangen, wenn meine
Mutter im Knast saß? Wie sollte ich da fleißig lernen? Wahrscheinlich log meine
Mom nicht mal – das Gras gehörte bestimmt ihrem Freund. Hätte mich allerdings
nicht gewundert, wenn sie auch einen Zug genommen hatte.
    Und wo steckte ihr Freund jetzt? »Wo ist Tyrone?«
    Â»Weg. Hat sich aus dem Staub gemacht, fünf Minuten bevor dein Freund
mit der Polizei aufgekreuzt ist. Dein Officer Kevin hat ihn sicher gewarnt. Hat
nur nach ’ner Möglichkeit gesucht, mir was anzuhängen, und mich mit deiner
Hilfe ausspioniert.«
    Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum hatte Officer Kevin
ausgerechnet meine Mom verpfiffen? Bei uns in der Anlage gab’s immer
irgendwelche Drogen, und meine Mom rauchte nur hin und wieder mal Gras. Okay,
Gesetz ist Gesetz, aber wieso meine Mutter und nicht
einer von den echten Junkies? Vielleicht weil meine Mom leicht zu kriegen war.
    Am Ende verbrachte meine Mutter drei Nächte im Gefängnis, weil sie
die Strafe nicht zahlen konnte. Und wir mussten ein Jahr aus der Sozialwohnung
raus. Mit einem aktenkundigen Drogenproblem kann man dem Staat nicht auf der
Tasche liegen. Momma wurde auf Entzug geschickt, und wir krochen bei ihrem Dad
unter, der ein Alkoholproblem hatte, in einem heruntergekommenen Schuppen am
Ortsrand, bis wir wieder die Voraussetzungen für die Sozialwohnung erfüllten.
    An dem Tag, an dem Momma aus dem Knast kam, erzählte sie mir,
Officer Kevin hätte gewartet, bis Tyrone weg war, und dann an der Tür geklopft
und gesagt, wenn sie ein bisschen nett zu ihm wäre, würde er sie nicht bei den
Cops anschwärzen. Doch sie hatte sich geweigert.
    Ich lief vor Wut rot an. Mein Officer Kevin, dem ich immer vertraut
hatte? Der mich nie lüstern anstarrte wie die anderen Männer?
    Ich wusste nicht, ob ich meiner Mutter glauben konnte, aber eins
machte mir diese Geschichte klar: dass man niemandem vertrauen darf, nur weil
er nett zu einem ist. Ab da lernte ich gerade noch so viel, dass ich die Schule
schaffte.
    Manchmal kochte diese alte Geschichte in mir hoch – wie eben bei
diesem Blick von Miss Isabelle. Und dann sah ich nur noch Officer Kevin, wenn
ich in ein weißes Gesicht schaute, obwohl ich wusste, dass ich seinetwegen
nicht alle Weißen über einen Kamm scheren konnte.
    Als ich zu Ende geraucht hatte, ging ich mit einer Mischung aus Wut
und schlechtem Gewissen zum Wagen zurück. Miss Isabelle wartete mit aschfahlem
Gesicht auf mich.
    Â»â€™tschuldigung«, sagte ich, als ich losfuhr. »Ich musste einfach nur
raus, um nicht etwas Dummes zu sagen oder zu tun.«
    Â»Schon klar, aber warum warst du wütend auf mich?«
    Â»Sie glauben vielleicht, ich sag das bloß so vor mich hin, dass ich
Schuldgefühle hab, nur weil ich schwarz bin. Doch Sie können sich nicht
vorstellen, wie das ist, immer mit dem Misstrauen der anderen zu leben.«
    Â»Ich weiß tatsächlich nicht, wie das ist, und finde es traurig, dass
sich immer noch nicht viel daran geändert hat.«
    Noch etwa zwei Stunden Fahrt lagen vor uns, bis wir Cincinnati
erreichen würden. Und es dauerte eine Weile, bis ich mich beruhigte. Die
Geschichte mit Officer Kevin ging mir nicht aus dem Kopf, und außerdem hatte
ich Miss Isabelles Blick wohl falsch interpretiert. Bestimmt hatte ich das.
    Plötzlich klapperte und quietschte und klopfte es im vorderen Teil
des Wagens, und das Lenkrad zitterte in meinen Händen.
    Â»Was ist denn los?«, fragte Miss Isabelle.
    Ich fuhr rechts ran, schaltete den Motor aus, schnupperte und
lauschte.
    Nichts. Immerhin schien das Auto nicht kurz vor einer Explosion zu
stehen.
    Ich wandte mich ihr zu. »Was jetzt?«

SIEBENUNDZWANZIG
    ISABELLE , 1940
    Ich war wütend auf meine Mutter, nicht zuletzt deshalb,
weil es sie so sehr interessierte, ob ich meine Monatsblutung bekam. Ich log
sie an und zählte die Tage, bis ich sie um Bindennachschub bat. Und bei jedem
Gang zur Toilette war ich erleichtert, wenn ich kein Blut sah. Die Binden
wickelte ich in Toilettenpapier, als hätte ich sie tatsächlich benutzt.
    Mutter teilte mir mit, dass meine Ehe mit Robert annulliert worden
war. Es war nicht schwierig gewesen, zu beweisen, dass ich noch nicht
volljährig war, keine Heiratserlaubnis besaß und aus einem Bundesstaat stammte,
in dem unsere Verbindung nicht anerkannt worden wäre.
    Zuerst

Weitere Kostenlose Bücher