Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
als ich meine Handtasche packte, aus dem
Auto sprang und die Tür hinter mir zuknallte. DrauÃen holte ich Zigaretten und
Feuerzeug aus der Tasche, nahm einen tiefen Zug und marschierte davon, bis ich
das Nummernschild kaum noch entziffern konnte.
In meiner Kindheit hatte es diesen Mann vom Sicherheitsdienst
gegeben, der nachmittags und abends in unserem Block mit lauter Sozialwohnungen
Dienst schob und sich mit den Kindern dort anfreundete, die noch nicht mit dem
Gesetz in Konflikt geraten waren. Ich konnte ihn gut leiden.
»Na, wie warâs in der Schule, Fräulein?«, erkundigte er sich, wenn
ich mit dem schweren Ranzen heimkam und überlegte, wie meine Mutter drauf war:
Frisch verliebt? Mit Depressionen im Bett? Das erste Mal in der Woche am Herd?
»Viele Hausaufgaben heute? Haben die Lehrer dich ordentlich rangenommen?« Er
stellte mir Fragen, die meiner Mutter niemals in den Sinn kamen. Sie wollte
wissen, ob ich zum Lernen zu einer Freundin ging â die Hausaufgaben
interessierten sie dabei weniger; sie hoffte eher auf freie Zeit für sich und
darauf, dass die Mutter der Freundin mich verköstigte.
»Ich hab immer Hausaufgaben«, antwortete ich ihm.
Er nickte. »Was ist denn dein Lieblingsfach. Meins war Mathe.«
Ich stöhnte. Mathe war nicht gerade meine Stärke. »Ich mag
Sozialkunde, weil ichâs spannend finde, wie Leute in anderen Ländern leben.«
An Männern kannte ich, abgesehen von den wenigen Lehrern an der
Schule, eigentlich nur die Freunde meiner Mutter oder die anderen Versager, die
sich an die alleinstehenden Frauen in unserer Wohnanlage ranmachten. Bis sich
bei mir Brüste zeigten, hatten sie sich nicht für mich interessiert. Und
seitdem hielt ich sie lieber auf Distanz. Officer Kevin war anders. Er schien
wirklich neugierig zu sein. Ihn ertappte ich nie dabei, wie er mich mit Blicken
auszog.
»Sozialkunde hat mir auch Spaà gemacht. In der Highschool wird das
Fach schwieriger, da muss man richtig Geschichte pauken. Willst du an die
Highschool und fleiÃig lernen, Dorrie?«
»Ja, Sir«, antwortete ich mit fester Stimme. Ich wollte tatsächlich
lernen, soviel ich konnte, damit ich hier wegkam.
Officer Kevin erzählte mir, dass er mit dem Geld, das er beim
Sicherheitsdienst verdiente, ein schöneres, gröÃeres Haus für sich und seine
Familie kaufen wollte. Sie wohnten natürlich auf der weiÃen Seite des Orts,
aber er hatte vier Kinder, und wahrscheinlich platzten sie aus allen Nähten. Er
wollte ihnen ein Zuhause drauÃen auf dem Land bieten, wo sie Platz zum Spielen
hatten und vielleicht sogar einen richtigen Swimmingpool statt dem aufblasbaren
Becken, das sie jeden Sommer im Wal-Mart kauften. Officer Kevin war nett; es
gefiel mir, dass er mit mir redete wie mit einem normalen Menschen, nicht wie
mit einer zukünftigen Verbrecherin.
Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, stand er vor
einem Streifenwagen, in dem meine Mom saÃ. Ich lieà meinen Schulranzen vor der
Haustür fallen und rannte zu dem Auto.
»Daran ist dein sogenannter Freund schuld«, rief meine Mutter mir
aus dem Polizeiwagen zu. »Siehst du, was passiert, wenn man einem WeiÃen
vertraut?«
Officer Kevin lehnte am Auto, während der örtliche Cop seine Aussage
aufnahm, mit dem Rücken zu mir, die Hände tief in den Taschen vergraben.
Ich versuchte, sie zu beruhigen. »Momma, nun brüll nicht so.« Ihre
Stimme war so laut, dass die Nachbarn aus den Fenstern gafften, und das war mir
peinlich. Solche Sachen geschahen in unserer Anlage öfter, aber bis dahin noch
nie meiner Mom. Sie war vielleicht nicht gerade die aufmerksamste Mutter,
versuchte aber, sich an die Gesetze zu halten. »Was ist passiert?«, fragte ich.
»Dein Freund Officer Kevin«, antwortete sie, »hat mir die Bullen auf
den Hals gehetzt. Wegen Drogen. Ich hab ihm gesagt, dass der Stoff nicht mir
gehört. Ist wirklich nicht meiner, Dorrie, ich schwörâs.«
»Wenn Marihuanarauch aus Ihrem Fenster weht, Maâam, ist das Zeug so
gut wie Ihres«, meinte der Polizist.
Meine Mutter schnaubte verächtlich. »Es gehört meinem Freund. Was
soll ich denn machen? Es ihm verbieten?«
»Momma, ich hab dir doch gesagt, dass du es ihm bei uns nicht
erlauben sollst.« Ich wusste nicht, auf wen ich wütender sein sollte, auf meine
Mutter, weil sie sich wieder auf so einen Idioten eingelassen hatte,
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