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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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Leimböck! Das wäre doch was, oder? Sie ziehen morgen Vormittag ihre Ausgehuniform an, bereiten Ihre Gattin darauf vor, dass sie bald neue Distinktionen an den Schultern ihrer Jacke annähen darf, und schütteln dem Herrn Direktor und mir kräftig die Hand. Dazu ein kleines Blitzlichtgewitter der versammelten Presse, ein Dekret von der Frau Ministerin, ein dreifaches Hoch auf den Chefermittler Leimböck, und jedes Monat ein paar Euro mehr auf dem Gehaltskonto. Frei nach dem Motto: Schweigen ist Gold, Reden ist Kieselstein, Sie verstehen, Herr Kollege?“
    Der Zangenangriff. Finale. „Der Herr Direktor“, fuhr er fort, „hat es soeben so brillant formuliert“ (er nickte dem Kurzen mit aufgesetzter Güte zu): „Details spielen keine Rolle. Das Ganze zählt, Oberst Leimböck. Das ist – übrigens ein wunderbarer Vergleich meiner Frau – wie beim Kuchenbacken, wissen Sie? Es kommt nicht darauf an, was im Kuchen drin ist. Wer will das schon wissen. Was zählt, ist der Geschmack. Die Gesamtkomposition. Unser Kuchen, Herr Oberst, ist das Verlangen der Öffentlichkeit nach Sühne und Sicherheit. Nach einer Lösung ohne Zweifel, ohne Bitterstoffe. Die zuckersüße Lösung mit dem Namen Sicherheit ist es, woran sich die Leute laben wollen. Das Gefühl im Mund ist entscheidend, Herr Kollege, und unsere Aufgabe ist es, den Gaumen des Volkes mit diesem wohlschmeckenden Sicherheitskuchen zu stopfen. Wir sind die Zuckerbäcker der Nation, und nicht dieser . . . wie hieß er doch gleich, dieser kleine Wicht? Na, helfen Sie mir, der Fall Lucona. Der kleine Dicke, der sich dann in der Zelle erhängt hat. Na ja. . . egal.“
    „Udo Proksch“, sagte ich.
    „Ja, richtig, der schöne Udo. Der hat ja Gott und die Welt gekannt, quer durch die Regierung bis hin zu einflussreichen Verlegern. Ja, die Verleger, die Presse . . . gerade vom Journalismus können wir noch viel lernen, Oberst Leimböck. Es gibt da diesen berühmten Spruch von diesem berühmten Journalisten, na, wie heißt er doch gleich . . . helfen Sie mir, na ja. . . egal. Also, das Motto lautet: Lass dir deine Geschichte nicht durch Fakten zerstören. Was will uns das sagen, mmmhhhhm? Der Weg, den wir einmal eingeschlagen haben, ist zu Ende zu gehen. Und unser Weg heißt Hanser. Das ist die Stärke unseres Staates. Drauf bleiben, Oberst Leimböck, draufbleiben!“
    Ja, draufbleiben, auch wenn es weh tut, dachte ich, draufbleiben, genau das habe ich auch vor, mein Lieber, aber auf andere Art und Weise, als du und der liebe Kurze sich das vorstellen, wollte ich erwidern, sah aber nur noch einen aufspringenden Generaldirektor, der einmal mehr gütig lächelte, mir die Hand entgegenstreckte und mit einem Bleiben Sie sitzen. Also dann bis morgen um zehn entschwand.
    „Leimböck!“ Der Kurze pflanzte seinen kleinen Leib vor mir auf. „Sie haben es gehört: Vergessen Sie die Suche nach irgendeinem Hirngespinst. Hanser ist als Vierfachmörder einzementiert und wird als solcher auch begraben. In einer schönen Holzkiste und in der Erinnerung. Sie wissen ja: Gnade Ihnen Gott und meine Frau, wenn Sie Unsinn anstellen. Und dabei möchte ich Sie vor allem vor meiner Frau warnen, sollten Sie es wagen, den Namen Weißengärber mit Ihrer nichtsnutzen Widerspenstigkeit zu besudeln. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein heißer Erdapfel, Leimböck. Fallengelassen, zertreten und verrottet. HABEN SIE VERSTANDEN? ABTRETEN!“
    *

In der Küche, Donnerstagabend
    Das Gefühl. Ich versuche, es zurückzukriegen. Die Stunde im Wald. Äste, die nach mir gegriffen haben, tiefer, moosiger Boden, dann wieder spitze Steine. Mein Körper hat gekämpft, aber mein Geist war frei, ist geflogen. Es war Euphorie. Ein unendlich großes Gefühl, wie ich es noch nie zuvor empfunden habe. Der Feldherr hat gerade seine größte Schlacht gewonnen. Ich habe den Knall des Schusses mit hinuntergetragen. Sonst habe ich nichts gehört. Nicht einmal meinen eigenen Atem. Mein Körper ist gestolpert, gestürzt, aber es hat mir nichts ausgemacht. Im Gegenteil. Es war Teil des Szenarios. Des letzten Aktes. Kein Schmerz, nur Genugtuung und eine tiefe Zufriedenheit. Applaus, Applaus. Der kleine Nachtwächter hat es allen gezeigt. Vor allem dem großen Ermittler. Der Applaus war tosend, als ich unten im Tal in mein Auto gestiegen bin. Und er hat während der gesamten Heimfahrt angehalten.
    Dann ist das Gefühl immer schwächer geworden. Ich habe versucht, die Szene am Berg nachzuleben, aber es ist mir nicht gelungen. Ich

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