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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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dort ebenfalls Haare lässt. Wenn es Hansers Haare sind, doch davon gehe ich aus. Ich würde mich fragen, wie einer ohne Handschuhe ein Jagdgewehr abfeuert, ohne Schmauchspuren an Fingern und Ärmel abzubekommen? Und ich würde mich fragen, ob es zum Berufsbild eines Journalisten passt, Autos professionell kurzzuschließen.“
    Das und einiges mehr würden Michelin und der eine oder andere versprengte Interessent, man weiß ja nie, sich fragen. Jede Menge offener Fragen also, dazu aber auch gesichertes Wissen, was den Mörder betraf, von Bela, Michelin und mir, drei dieser versprengten, mutmaßlichen Interessenten, gestellt und aufgelistet, unterteilt in die Kategorien WISSEN (bei gewissen Charakteristika in () die Wahrscheinlichkeit des Auftretens in der Bevölkerung, sehr vorsichtig geschätzt und miteinander multiplizierbar, sofern voneinander unabhängig) und WISSEN WOLLEN, beide unterstrichen, wiederum auf einem (fünf) Bierblockzettel (doppelseitig beschrieben, kleine Schrift, blauer geborgter Kellnerkuli), nicht bereinigt, nicht beschönigt, daher unverfälscht und zu Ihrer Ansicht original, da es sonst, weil man ja weiß, dass man nie weiß, wieder heißt, die Polizei bereinigt und beschönigt, dieses Mal auf Puntigamer Pils.
     
     
     
    *
    „Wie endet das Lied, Ferri?“
    Neunundzwanzig weitere Stunden waren seit der Präzisierung (Puntigamer Pils) unserer Ermittlungen vergangen. Recht erfolglose neunundzwanzig Stunden einer recht erfolglosen Rumpfmannschaft. Wir traten auf der Stelle. Auch Bela und ich traten auf der Stelle, und der Gedanke, dass sie in wenigen Minuten in den Zug nach Wien steigen und ich womöglich wieder zu Ambros und Daniels heimkehren würde, ließ mich frösteln. „Welches Lied?“
    „Schloss Eggenberg, erinnerst du dich? Das Lied mit der Oidn, die irgendetwas ned machn kan! Sie blickte zu mir empor, und über ihr das Eingangshallenrund des Grazer Hauptbahnhofes. Was soll das mit dem Bahnhofsrund?, könnten Sie sagen. Zu Recht. Wäre nicht der Grazer Hauptbahnhofeingangshallenhimmel ein feuerroter Himmel, von weißgrauen mäandernden Bahnen durchwoben, die sich als tosende Gischt in Belas feuerroten Haupthaarhimmel ergossen. Mmhhhmm.
    „Es gibd a ungeschriebenes Gesetz, und wånn s‘ a no so midn Zaunpfahl winken, na Oide, heasd, i såg des ned per Hetz, du kånnsd doch beim Heirign ka Cola drinkn“, sagte ich. „Es ist eben nur ein Lied.“
    „Es ist auch unpassend“, sagte Bela.
    „Was ist unpassend?“
    „Cola beim Heurigen.“ Sie lächelte, legte ihre Fingerspitzen an die Öffnungen meiner mit Händen gefüllten Jackentaschen und fixierte meine Augen. „Deine Familie ist der Heurige und ich bin das Cola. Das ist unpassend. Wir sollten per e-Mail verkehren. Das ist passend. Vielleicht kann ich dir ja noch ein wenig helfen. Halt mich auf dem Laufenden? Sie schluckte, schlang die Arme um meinen Hals und drückte mir einen innigen Kuss auf die Wange. „Um Missverständnissen vorzubeugen, Ferri . . . wisch ihn dir besser ab. Auch wenn ich, wie du sicher bemerkt hast, keinen Lippenstift trage.“
    Als die Lautsprecherstimme die Abfahrt des Zuges auf Bahnsteig sowieso um neunzehn Uhr sowieso verkündete, stand ich immer noch unter dem glühenden Hauptbahnhofeingangshallenhimmel und hielt die Hand auf der Wange, unschlüssig, ob ich sie für den Rest dieses frühen Sonntagabends dort belassen oder mit einer schnellen Bewegung nach unten wischen sollte.
    *
    Michelins an diesem Abend doppelt provokantes Hufeisenbartgrinsen strahlte schon aus der Ferne durch die Regenschlieren am Seitenfenster meines Wagens auf dem Bahnhofsvorplatz. „Wollen wir?“, fragte ich knapp. Michelin nickte. Fallanalyseabend nannten wir diese Art von Beisltour immer, wenn es galt, der häuslichen Nähe unserer Frauen zu entfliehen und das mittelstädtische Weite zu suchen. Bloß dass ich dieses Mal nicht auf der Flucht war.
    Als mein Schlüssel Stunden später nach mehrmaligen Versuchen und nur dank meiner tatkräftigen, entschlossenen Mithilfe widerspenstig die Haustüre endlich aufboxte, war die Erkenntnis in mir gereift, dass ein Übermaß vom Klaren alle Klarheit raubt. Die Verschwommenheit des Korridors sagte mir, dass hier ein paar Schuhe standen, die am Morgen noch nicht hier gestanden hatten, kleine wie große, ein wenig schluderig hingeworfen und somit fern der aufsteigenden Ordnung des Orgelpfeifenprinzips, aber – sie waren da. Ich wusste, dass ich mich freute, versagte aber darin, es mir

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