zuadraht
Wir wissen jetzt mit absoluter Sicherheit, dass der Hanser nicht unser Mann ist. Nicht sein kann! Es gibt zu viele Unklarheiten. Zu viele Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten!“ Ein Anflug von Vehemenz lag in meiner Stimme.
„WAS?“ Der Kurze sprang auf. „DER HANSER SOLL ES NICHT SEIN?!“ Und schaumgebremster, aber mit der Schärfe eines rotierenden Sägeblattes: „Seit Tagen liegen Sie mir in den Ohren mit Ihrem Hanser. Hausdurchsuchung hier, Chefredakteursbeschimpfung da. Sie strapazieren unser gutes Verhältnis zur Presse über Gebühr – und wenn ich sage Presse, dann meine ich die einzige und wahre Presse in diesem Land, die Gute, Leimböck –, und nun wollen Sie mir erklären, dass er es nicht war? Wegen ein paar Unstimmigkeiten? Ein paar Unklarheiten? Ein paar lächerlicher Ungereimtheiten? Absolute Gewissheit haben wir nie, Leimböck. Aber was wir haben, sind jede Menge Beweise. Fingerabdrücke, DNS-Spuren, dazu die Kolumnen, das volle Programm, mehr als in den meisten anderen Fällen. Und da kommen Sie daher mit ein paar lächerlichen Ungereimtheiten?! “
Der Generaldirektor nickte und lächelte stumm.
„Aber wir können doch nicht. . .“
„WAS KÖNNEN WIR NICHT, LEIMBÖCK?! Ich sage Ihnen, was wir nicht können. Wir können der Frau Ministerin nicht erklären, dass wir zwar einen toten Mörder, leider Gottes aber auch einen offenbar überarbeiteten Leiter der Mordkommission haben, der wegen ein paar zweifelhafter Zweifel, hahaha, zweifelhafte Zweifel, dreißig Kriminalbeamte damit beschäftigen will, einen Heuhaufen nach einer nicht existenten Nadel zu durchwühlen, Leimböck. Was glauben Sie denn, was mir die Frau Ministerin erzählt, wenn ich ihr das erzähle, hhhmmmmh?“
Der Generaldirektor spitzte die Lippen anerkennend, nickte und lächelte stumm.
Das alte Spiel, dachte ich, böser Chef und guter Chef, der klassische Zangenangriff. Ja, die Zange. Die Heiß-kalt-Dusche, wie beim Flaschenhals, wenn es gilt, vom ganz Edlen und ganz Alten zu nehmen, dem erlesenen Rebensafttröpfchen aus früheren Tagen, wo der alte, poröse Kork nicht mehr aus der Flasche will und sie zur glühendheißen Zange greifen, dem Degollador, wie der Spanier sagt, dem Entkehler, der die Kehle absprengt. Der Kurze als die glühendheiße Zange also, die sich für ewig lange dreißig Sekunden um dich, den Flaschenhals, schließt und dich in Wallungen bringt, dich brodeln lässt, und dann der Generaldirektor, das eisigfreundlich lächelnde Wasser, die Abkühlung, die dir den Rest gibt. Glühendlodernde Hitze und eisigfreundliche Kälte im Wechselguss, bis der Hals birst und frei gibt, was er bewahrt. „Viele Einzelheiten waren bis vor ein paar Stunden noch nicht bekannt, Herr Direktor.“
„Einzelheiten?“ Aegidius Weißengärber dampfte im Vollbetrieb. „Wen interessieren schon Einzelheiten! Hören Sie lieber auf damit, Ihre so genannten Einzelheiten überzuinterpretieren, Leimböck! Für jeden Zweifel gibt es eine Lösung, an die noch keiner gedacht hat, Herr Kollege, haben Sie das schon vergessen? Wir haben jede Menge Spuren und Beweise, und Sie kommen mir mit ein paar vagen Vermutungen? Vermutungen, nicht mehr, Leimböck. Mutmaßungen. Der Name Hanser hat sich in den Köpfen der Leute einzementiert als jener Name, der für Selbstjustiz des Bürgertums steht. Für einen Volkstribun. Aber auch für Vierfachmord, vergessen Sie das nicht. Vierfachmord. Darunter drei Politiker dieses Landes, Leimböck. Einzementiert in den Köpfen der Öffentlichkeit. Eine Öffentlichkeit, die keine Einzelheiten will. Sondern Erfolge, mein Lieber. Erfolge.“
„Martin Hanser wurde nur vorgeschoben“, erwiderte ich. „Er ist selbst Opfer.“
„Na na, Herr Kollege, wer wird denn.“ Der Generaldirektor hatte aufgehört zu nicken und still zu lächeln. In seiner Stimme, die nun noch sonorer im Raum lag, schwang bedrohliche Beruhigung, als würde der Tierarzt dem zotteligen Straßenköter durchs krause Fell fahren und ihm beschwichtigend zureden, bloß um ihn Augenblicke danach mit der Giftspritze seiner unnützen Existenz zu berauben. „Was in den Köpfen der Men-schen steckt, lässt sich nicht mir nix dir nix auslöschen, nicht wahr? Das verunsichert bestenfalls, Herr Kollege, und ein offenkundiger Mangel an Sicherheit ist wohl das Allerletzte, was wir in Tagen wie diesen gebrauchen können, Herr Oberst.“
„Oberstleutnant“, sagte ich.
„Vergessen Sie diesen Unsinn, Oberst Leimböck. Na, wie klingt das? Oberst
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