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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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schien. Ihre Pupillen weiteten sich mehr und mehr.
    „Die Deformationen“, fuhr Michelin fort, „waren jedoch schwächer als üblich. Bei dieser Art von Munition. Daher. . .“ Er hielt inne und dachte angestrengt nach. „Ja, genau. Es könnte ein Hohlspitzgeschoß gewesen sein. Vermutlich sogar. Die Geschoßspitze ist ausgehöhlt, der Bleikern liegt an der Innenseite frei. Bei manchen ist der Hohlraum auch mit einem Kunststoffkeil gefüllt. Mal sehen, was unser Freund Sargo in der Prosektur zutage fördert. Wie auch immer. Die Aushöhlung bewirkt, dass die Deformation schneller eintritt. Dafür nicht ganz so heftig wie beim Verwandten aus Dum-Dum. Weiterer Vorteil dieser Munition: Der Schwerpunkt verlagert sich zum Geschoßboden hin, ein Plus an ballistischen Eigenschaften. Und es gibt kaum Querschläger.“
    Bela besann sich mit einem Ruck und fixierte Michelin. „Worauf willst du hinaus, Willi?“
    „Ich will damit sagen: Wir sollten nach Menschen suchen, die so etwas mit Vorliebe verwenden. Und sich ihrer Sache unglaublich sicher sind, wenn sie aus hundertfünfzig Meter auf einen Kopf anlegen. Ein Ziel, das nicht größer ist als ein Fußball. Oder ein Teller. Eine Tellerscheibe. Eine Schützenscheibe. Wir sollten nach einem Sportschützen suchen. Einem exzellenten Sportschützen.“
    Ich musterte Bela von der Seite. Sie starrte Michelin an, der mit dem Rücken zu ihr an der Seite des toten Hanser kauerte. Die Art ihrer Reglosigkeit verriet tiefen Respekt. Dann vibrierte und klingelte es in meiner Hemdtasche. Der Kurze. Ich solle kommen. Rasch. Nein. Sofort.
    *
    Aegidius Weißengärber stand ungewohnt stramm an der Schmalseite des schweren Eichentisches, als ich sein Drohnenbüro im Paulustor betrat. Der Polizeidirektor nimmt Haltung an, wenn ein Leimböck den Raum betritt, dachte ich erheitert. „Dass ich das noch erleben darf“, rief ich und lachte verhalten.
    „Dass Sie was noch erleben dürfen?“ Eine sonore ruhige Stimme aus der ledergepolsterten Sitzecke rechts hinter der Türe. Der wahre und einzige Anlass der Strammheit des lieben Kurzen.
    „Den verehrten Herrn Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit kennen Sie ja, Leimböck, oder?“
    „Aus Funk und Fernsehen, jawohl!“
    Der Kurze blinzelte hektisch zwischen uns hin und her. Der Generaldirektor lächelte übergütig. „Sparen Sie sich und uns die Formalismen und nehmen Sie Platz, Herr Oberstleutnant. Und Sie auch, Herr Direktor.“ Aegidius Schweinehund gehorchte aufs Wort und setzte sich gespreizt auf die Kante der Polsterung, als wollte er in erlesener Damenrunde mit pikiertem Griff nach Tee und Plätzchen langen.
    „Wann bekommen wir Ihren Abschlussbericht der Sonderkommission?“ Der Generaldirektor lächelte erneut gütig.
    „Abschlussbericht? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“
    „Da kann es ja wohl keine Sprachprobleme geben, Leimböck, oder?“, krächzte der Kurze. „Abschlussbericht. Der Herr Generaldirektor ist per Hubschrauber im Auftrag der hochgeschätzten Frau Ministerin angereist und fragt Sie nach dem Abschlussbericht. Die Sonderkommission ist ab sofort aufgelöst.“ „Aufgelöst? Aber unser Mörder ist doch . . .“
    „Tot! Jawohl, Leimböck. Tot! Ihr Stellvertreter, Oberleutnant Kurz, hat mich in kurzen Zügen informiert. Hahaha, Kurz und kurze Züge. Wenn das nicht doppelbödig witzig ist, oder? Über den toten Hanser. Die Waffe wurde inzwischen auch gefunden, während Sie auf dem Weg hierher waren. Und das Auto des Mörders. Ein gestohlener VW Passat. Auf dem Parkplatz bei der Taverne der Ruine Gösting. Die Fingerabdrücke sind, wie‘s aussieht, nur noch Formsache. Um das festzustellen, brauchen wir nicht dreißig Mann rund um die Uhr zu bezahlen. Um dreizehn Uhr ist Pressekonferenz. Bis dahin muss alles soweit klar sein. Und verraten Sie mir eines: Wie sind Sie bloß auf die Idee gekommen, einen Anrainer zu schlagen? Einen Anrainer!“
    Der Generaldirektor nickte und lächelte stumm.
    Der Kurz hat dich informiert?, dachte ich, was weiß denn der Kurz schon? Der war doch gar nicht dabei auf der Plattform, der weiß doch so gut wie gar nichts. Bela, Michelin und ich, sonst niemand. Und außerdem: Was muss klar sein? „Also der Anrainer. . .“, hob ich an.
    „Ach was, der Anrainer“, fuhr der Kurze dazwischen. „Sie sind ein Heißsporn, Leimböck, aber in Anbetracht des Gesamterfolges . . . nun ja, wir regeln das.“
    „Des Gesamterfolges?“, sagte ich. „Wir sind mitten in den Ermittlungen.

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