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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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nur noch demütigender gewesen, Sie verstehen?“
    Ich nickte. Klausberger hatte den Verlockungen, die sich einem Politiker bei abendlichen Terminen von Mal zu Mal an den Hals werfen, nicht widerstehen können. Obwohl er eine attraktive, um beinahe zwanzig Jahre jüngere Frau hatte. „Sie hätten ihn doch verlassen können“, wandte ich ein.
    Sie blickte erstaunt zu mir auf, als hätte ein Kind danach gefragt, wem die Sterne gehören, ließ ihre unsteten Augen an mir auf – und abgleiten, legte die Stirn in Falten, zögerte kurz und fuhr mit einem tiefen Seufzer fort, wie man ihn bei der Begegnung mit grenzenloser Naivität loslässt. „Es war erst vor ein paar Wochen in allen Zeitungen. Sie würden es ohnedies erfahren. Ich leite ein Architektenbüro. Innenarchitektur. Frank ließ seine Kontakte spielen und mir einträgliche Geschäfte zukommen. Zum Teil direkt über die Stadtverwaltung, zum Teil über Achsen in der Privatwirtschaft. Man warf ihm Ungereimtheiten bei der Auftragsvergabe vor.“
    Die königliche Apanage also. Als miserabler Medienkonsument in Sachen Politik hatte ich tatsächlich nichts davon gewusst. „War das auch Teil ihres . . . Übereinkommens?“
    „Wir wollten uns das Dreckwäschewaschen und eine Scheidung vor aller Augen ersparen. Die Öffentlichkeit reagiert sensibel auf solche Dinge. Im Gegenzug musste er sich erkenntlich zeigen. Die wenigen Journalisten, die von seinen Weibern wissen, hat er ruhig gestellt. Mit guten Storys oder notfalls auch anders. Das funktioniert, selbst wenn ein Landeshauptmann ständig seine Frau verprügelt. Sehr christlich und sehr sozial, eben christlich-sozial, finden Sie nicht?“
    Hatte ich mich eben noch gefragt, was eine Frau wie Barbara Klausberger mit einem Schmierenkomödianten wie Frank Klausberger zu schaffen habe, ergab sich nun ein neues Bild. Das zweier Karrieremenschen, die einander um den Preis eines zerstörten Privatlebens und auf Kosten der Allgemeinheit an die Spitze hievten.
    Die Sache mit dem Landeshauptmann war, zumindest in Polizeikreisen, auch in der Steiermark bekannt geworden. Die Kollegen des Mobilen Einsatzkommandos seien von besorgten Nachbarn in sein Haus gerufen worden, hieß es. Sie hätten durch geschlossene Fenster ihre Schreie und obendrein den Widerhall seiner Schläge gehört, hieß es. Danach war sie wochenlang von der Bildfläche verschwunden. Eine heimtückische Krankheit, hartnäckig, aber nicht lebensbedrohlich, hieß es. Offiziell. Alle wussten es und alle schwiegen darüber. Jedes Mal aufs Neue.
    „Politik und Medien verbinden besondere Formen der Übereinkunft“, hob Barbara Klausberger noch einmal an. Sie geriet mehr und mehr in Wallungen, ihr zierlicher Körper fand die Spannung wieder, jede kleine Bewegung setzte sichtbar ein Paket trainierter Muskel in Gang. Sie bebte, rang nach Luft, und aus ihrer Stimme sprach mit einem Mal tiefe Verachtung. „Eine Omertà. Schauen Sie über die Grenze, zu den Deutschen. Da gibt es in vielen Redaktionen Bluthunde, die Menschen wie meinen Mann bei lebendigem Leibe zerfleischt hätten. Bei uns wurde ein junger Radiojournalist gefeuert, weil er die Sache mit den Schlägen nach Jahren kollektiven Schweigens endlich an die Oberfläche zerren wollte. Die lange Hand, Sie verstehen?“
    Die lange Hand. Der lange Atem. „Joggen Sie auch“, fragte ich. Irgendwo musste dieser Körper schließlich herrühren, auch wenn es davon allein nicht sein konnte.
    Der blasse Schleier über ihren Augen war ganz plötzlich verflogen, die blau marmorierten Pupillen blitzten messerscharf auf. Einer Frau wie ihr konnte es nicht schwer gefallen sein, den hohlen Doppelboden meiner Frage abzuklopfen. „Nicht mit ihm. Wir gehen zur selben Zeit, jeder allein. Er an der Mur, ich im Leechwald.“ Sie hielt kurz inne, schien in den Tiefen ihrer Gefühlspalette zu wühlen und kramte einen leisen Hauch von Melancholie hervor: „Gingen.“ Ein perfektes Schauspiel, hätte nicht die für solche Fälle vorgesehene Wiederkehr des Schleiers ihren Auftritt verpasst. Barbaras bläuliches Blitzen blieb.
    „Hatte er Feinde?“
    „Feinde? Jeder Politiker hat Feinde. Fragen Sie die Menschen auf der Straße nach ihm. Obwohl. . .“ Ihr Blick wandte sich von mir ab und verharrte einen langen Augenblick in scheinbarer Leere.
    „Obwohl?“
    Ihr Brustkorb hob sich und sie schluckte tief, als wollte sie im nächsten Moment einen mächtigen Brocken heraufwürgen. „Sie werden keinen finden, der ehrlich ist. Der

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