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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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hautnah. Es geschieht nicht im Körper, sondern in den Augen. Der Übergang vom Leben in den Tod. Es ist wie ein Film, und die Augen sind die Leinwand. Ich werde dich jetzt losbinden und dann das Zimmer verlassen. Wenn du aufstehst und dich umdrehst, wirst du sehen, dass dort oben, in der linken hinteren Ecke, eine Kamera angebracht ist. Du könntest dich natürlich auf den Sessel stellen und sie zerstören. Aber das würde dich nur noch einen Finger kosten. Vielleicht sogar zwei. Du wirst dir die Beine vertreten und dann den Kübel benützen. Dann wirst du dich auf das Bett legen und ich werde zurückkommen. Mit den Geschenken, die ich dir versprochen habe. Es gibt ja schließlich einiges zu feiern.
    „Ja, ja, ja, ich habe dich verstanden. Binde mich jetzt los. Ich mache alles, was du willst, aber mach rasch, ich bitte dich darum.“
    In der Küche, Samstagmittag
    Ich rede oft mit mir selbst. Früher habe ich es nicht getan. Aber jetzt hat es mit meinem Beruf zu tun. Bei meinem Job bist du ständig allein. Anfangs habe ich mir stets einen imaginären Gesprächspartner gesucht und mich mit ihm während der langen Nachtstunden unterhalten. Irgendwann ist mir das aber zu mühsam geworden. Ich musste dabei ja zwei Personen zugleich sein. Manchmal hat der Gesprächspartner meinem echten Ich widersprochen, manchmal war es umgekehrt. Es hat sich einfach so ergeben, dass der andere und ich selten einer Meinung waren. Da habe ich ihn weggeschickt, und jetzt rede ich nur noch mit mir selbst. Ich fasse in meinem Kopf alles, was ich tue, in Worte. Erzähle mir selbst über mich. Ein Ich beobachtet das andere Ich, analysiert es, kommentiert es, studiert es. Früher ist vieles mit mir und durch mich geschehen, das einfach passiert ist. Unkontrolliert, einfach so. Seit ich mich als aufmerksamen Gesprächspartner gefunden habe, ist das nicht mehr der Fall. Ich bin, was mich selbst betrifft, nahe an der Perfektion angelangt. Perfektion heißt, keine Fehler zu machen. Der Wurm, den ich jetzt am Monitor sehe, ist mein Meisterstück. Rache? Irgendwann war s wohl Rache. Aber das ist längst nicht mehr die alleinige Triebfeder. Rache kann zum Stein werden, der sich in den Zahnrädern der Logik verkeilt und den Motor zum Stillstand bringt. Ich kann mir Gefühle nicht leisten, wenn es um den Ablauf der Dinge geht. Den großen Plan. Ich kann sie mir nur dann leisten, wenn sie außerhalb des Plans stattfinden. Im Kellerraum, bei der direkten Begegnung mit dem Journalistenwurm etwa. Dort kann ich sie vom Ganzen loslösen und dort darf ich sie auch auskosten. Dort darf ich ihm seine Persönlichkeit nehmen, ihn erniedrigen, entwürdigen und leiden sehen. Armselig, wie er sich in die Ecke zum Plastikkübel schleppt, die daumenlose Hand in jämmerlicher Pose anklagend in die Höhe streckt, als wollte er damit von seinem Himmelvater Hilfe erflehen. Schau nur, was der böse Unbekannte mit mir getan hat. Jetzt versucht er die angepisste Hose aufzuknöpfen. Schwierig, ja. Dazu muss er die daumenlose zweite Hand einsetzen, aber die tut weh. Ja. Leide nur, du Ratte. Mein Gott, ist es schön, wenn sich der Hass auf diese Weise selbst befriedigt. Ja, ich habe ihn gehasst. Und es war dieser Hass, der mich zu dem gemacht hat, was ich in diesem Augenblick bin. Der perfekte Rächer. Danke, Herr Redakteur. Alle anderen deiner Opfer haben sich unter deiner und der Allmacht deines gedruckten Wortes geduckt und gelitten. Ich wünsche mir, dass sie alle jetzt hier bei mir sitzen und denselben Genuss erleben könnten. Das Betrachten von Gerechtigkeit. Nichts Primitives, etwas Großes. Dabei ist das, was ich auf dem Bildschirm sehe, erst der Anfang. Der Beginn der ultimativen Demütigung. Der erste Akt. Das Publikum bin ich. Und das Publikum ist begeistert. Applaus, Applaus!
    *

Es war eine dieser Villen nahe dem Hilmteich, wo die Euroscheine selbst am Fassadenverputz klebten. Ein geschmäcklerisches Gesamtkunstwerk mit Steinlöwen und Säulenportal und einem künstlichen Wasserfall in einem Garten, der ebenso als öffentlicher Park durchgegangen wäre. Dieses Land lässt seine Granden beileibe nicht verhungern, ging es mir durch den Kopf. Aber selbst das fürstliche Steuergeldgehalt eines Stadtregenten reichte nicht, um all das hier auszurichten, das bedurfte der Aufbesserung durch eine Apanage, eine königliche noch dazu. Prinzipieller Verweigerer der Gesellschaftsspalten, der ich war, hatte ich beim Namen Klausberger kein weibliches Bild vor Augen. Ich zimmerte

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