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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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bedrohlich über meinem Schreibtisch aufpflanzen, bereit, ihre Krallen im nächsten Moment in mein Gesicht zu schlagen. Ihre Kampfeslust ist ungebrochen geblieben, dachte ich, geht es um Frauen an sich und in der Gesellschaft im Speziellen, ungebrochen über all die Jahre, die sie im Morddezernat als Sekretärin arbeitet. Die heftigsten Gefechte haben wir uns geliefert, die Schulenburg und ich und die Kollegen auch. Spendiere ich ihr ein Lächeln, eine Entschuldigung und einen Kaffee in der Kantine und in ebendieser Reihenfolge, ist die Sache erledigt. Jedes Gefecht hat so geendet. Und für jedes dieser Gefechte bin ich ihr dankbar, für jedes Einzelne. Das baut dich auf und die Spannungen ab, die der Job naturgemäß mit sich bringt. Man darf doch nicht alles, sagen die Kollegen, die ebenso gerne streiten mit der Schulenburg, mit nach Hause nehmen, und dann lassen sie den Ärger zurück und begnügen sich Stattdessen mit dem Büromaterial.
    Auf dem Weg zum Paulustor befiel mich ein Anfall undefinierbarer Übelkeit. Das Gefühl im Mund überquellender Maroni war längst gewichen, vielleicht war es nackter, ordinärer Hunger? Geh deinem Magen auf den Grund, riet ich mir und steuerte den Fleischhauer meines Vertrauens an. Käsekrainer führt er keine, dafür warmen Käsleberkäse und extrafeurige Bohnenpfefferoni obendrein. Die von Hengstenberg. Fast wie im Stadion, dachte ich. Nur eben ohne Fußball. Und ohne Käsekrainer. Und ohne Rosas vorwurfsvoll scharfen Blick, wenn sie es nur wüsste. Das Spiel heute Abend. Ich zuckte zusammen. Das Meisterschaftsspiel gegen Salzbug hatte und konnte ich vergessen. Die Karten für Ferri und mich würden verfallen. Ferri war mit Lisa, Franz und seiner Mutter bei den Großeltern auf dem Weingut, und ich würde wohl. . .
    Dreißig Deka Leberkäse und sieben Bohnenpfefferoni lassen selbst die undefinierbarste Übelkeit einer definierbaren weichen. Eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit betrat ich mein Büro. Das Empfangskomitee bestand aus dem schrillen Läuten des Telefons und einer aufgeregten, ebenso schrillen Stimme. „Wir brauchen Ergebnisse, Leimböck!“ Ich sah Aegidius Weißengärber im Geiste vor mir auf – und abspringen, wie immer in feines Tuch samt Gilet gehüllt, ein Polizeidirektor wie ein Klischee, aber so sind sie eben, die Polizeidirektoren. Man munkelt, er habe seinen Spazierstock mit Silberknauf auch neben dem Bett stehen, um jederzeit und überall den Takt angeben zu können. Man weiß nie.
    „Ich weiß, Herr Direktor. Wir tun unser Möglichstes.“
    „Das habe ich befürchtet, Leimböck, denn das ist zu wenig. Was glauben Sie, wie viele Chefredakteure mich schon zu Hause angerufen haben, seit die erste Meldung im Radio lief. Da reden sie von politischem Mord und dergleichen mehr. Um dreizehn Uhr ist Pressekonferenz. Sehen Sie zu, dass Sie etwas vorweisen können.“
    Tuuuuuut. Weißengärber grüßt seine Untergebenen niemals. Und am Telefon schon gar nicht. Nicht am Anfang eines Gesprächs und erst recht nicht am Ende. Er kreischt sofort schnaufend hinein (manchmal schnauft er auch kreischend) und legt ebenso blitzartig wieder auf. Man sollte den Umgang mit seinen Grußformeln zum Teil der Polizeiausbildung machen. Junge Kollegen muss man auf alle Härten vorbereiten.
    Punkt halb zwölf drückte ich die Türschnalle zum Besprechungsraum nieder. Die letzten Sekunden vor einem Termin, das sind die wichtigsten überhaupt. Da warte ich ungesehen auf der anderen Seite der Mauer und erscheine genau dann, wenn der große Zeiger in den Zenit meiner Armbanduhr springt. Wie die Ansage auf dem Perron bei Abfahrt des Zuges. Das musst du verstehen, Rosa, auch die Zeit braucht ihr System und ihre Ordnung. Sind denn Züge pedantisch, nur weil sie gerne pünktlich sind?
    Fauler und Kurz waren schon da. „Stillhofer kommt sofort“, versuchte Kurz zu beschwichtigen. Er hatte meinen umherschweifenden Blick bemerkt. „Wir alle wissen, was dir dein Vater eingetrichtert hat: ,Wenn es Züge schaffen, nach Hunderten von Kilometern auf die Minute anzukommen, muss ein Mensch es ebenso schaffen. Pünktlichkeit ist ein menschliches Bedürfnis, von Menschen an Menschen gerichtet! Es gibt aber auch menschliche Bedürfnisse, Ferri, vom Körper an den Menschen gerichtet?
    Kurz hatte Recht. Ich war dabei gewesen, einen Sturm heraufzubeschwören, um die Segel meiner Erziehung darin zu hissen und meinen Unmut voll in Fahrt zu bringen. Privater Ärger hatte hier nichts verloren. Auch

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