zuadraht
Topf könnte übrigens auch nicht schaden.“
„Die Sache wächst uns über den Kopf, Ferri.“
„Die Sache mit dem Farn?“
„Wohl kaum.“ Michelin blickte mitleidsvoll hinab und zog ein Gesicht, als hinge sein buschiger Schnauzer mit der Platycerium um die Wette. „Diese Scheiße mit den Politikern“, fuhr er fort. „Ich habe das ungute Gefühl, dass da noch mehr kommt.“ „Schildläuse“, sagte ich.
„Nenn sie, wie du willst“, versetzte er, „das macht die Sache auch nicht gerade leichter.“
„Der Farn, Willi. Zu trockene Luft fördert den Schildlaus-befall“, sagte ich. „Luftbefeuchter oder regelmäßig mit der Gartenspritze einsprühen.“
„Das Sterben ist nicht abzustellen, Ferri. Geweihfarn, Klausberger, Moser. Da kommt noch mehr, sage ich dir, und wir haben nicht den Funken einer Chance, es zu verhindern.“
„Den haben wir sehr wohl. Unser Mann (wenn es denn ein Mann ist, dachte ich im selben Moment, man weiß ja nie) wird es verdammt schwer haben, an sein nächstes Opfer heranzukommen. Personenschutz für alle Politiker, rund um die Uhr. Wir werden ihn zwingen, Fehler zu machen.“
„Glaubst du?“ Unglaube brach aus Michelins Blick hervor. „Glaubst du das wirklich? Ich sage dir, der Nächste ist. . .“
„Kannst du schnapsen, Willi?“, unterbrach ich ihn.
„Schnapsen?“
„Ja, zweierschnapsen“ rief ich, mit einem Mal erregt. Es ist schon merkwürdig, durchfuhr es mich, da kennst du einen Menschen seit fünfzehn Jahren, fast besser als die eigene Frau, könnte man meinen, dachte ich, fährst mit ihm jedes Jahr auf Urlaub, bist wie ein zweiter Vater für seine Töchter, weil ein einziger Vater bei dem Job für pubertlerende Zwillingsmädchen sowieso nicht reicht, vertraust ihm bei der Wahl des Hochzeitsgeschenks, quasi blindlings, weil du selber kein Aug dafür hast, und dann weißt du nicht einmal die elementarsten Dinge von ihm. „Schnapsen, Willi, das sollten sie den Kindern beibringen, gleich in der Volksschule. Zweiunddreißig, dreiundvierzig, dreiundfünfzig, siebenundfünfzig, sechzig, zweiundsechzig, Sechsundsechzig, danke, das genügt. Das sollten sie lernen, verstehst du, eine Schule fürs Leben, dann hätte sich die Scheißjammerei von wegen Kinder und nicht Kopfrechnen können von selbst erledigt. Da reden sie von Mathematik als Kulturgegenstand und dieser komischen Schiefer-Turm-Studie, ja!? Aber ans Schnapsen denkt keiner. Schnapsen ist Kultur, und es schärft den Geist.“
Michelin musterte mich einen langen Augenblick und sein Hufeisenbart folgte dem rhythmischen Anheben und Senken seiner Nasenflügel auf und ab. Das hatte er immer, wenn ihn Neugier und Freude zugleich packten, das Zucken, ganz unbewusst. „Natürlich kann ich schnapsen, Ferri“, hob er endlich an, „meine Großmutter, du weißt schon, die mit dem Wirtshaus, hat es mir beigebracht. Da war ich fünf. Und mit sieben haben sie mich als Schiedsrichter genommen, die Großmutter und der Großvater, weil sie immer gestritten haben, wer welchen Zwanziger angesagt hat und wer nicht. Vierundzwanzig Bummerl jeden Tag, zwanzig Schilling das Bummerl, Pensionistentarif.“
„Dann stell dir folgende Situation vor“, entgegnete ich. „Du brauchst nur noch einen Einser, damit es heißt: Schneider, Schneider, meck meck meck, die Höchststrafe, vom Schuster einmal abgesehen. Es liegen sechs Karten auf dem Stoß, du hast Trumpfsau und Trumpfzehner, ansonsten aber ein Scheißblatt. Und dein Gegner hat den Vierziger in der Hand, davon musst du ausgehen. Kann er ihn ausspielen, reißt er dir den Arsch auf. Du bist an der Reihe. Was tust du?“
„Keine Frage. Trümpfe abschlagen und schauen, was kommt. Hopp oder tropp.“
„Ha!“, rief ich erfreut. „Ganz genau.“ Und der Hochauer sagt das auch, dachte ich, Trümpfe abschlagen und schauen, was nachkommt, hat er geschrieben auf das Deckblatt der Doppeldeutschen, die er mir geschickt hat. Das ist die hohe Schule. „Der Kurze nagelt mich an die Wand, Willi, wenn der Hanser nix damit zu tun hat.“
„Ich weiß. Er hat den Hammer schon in der Hand. Was hast du vor?“
„Hopp oder tropp. Es ist Zeit, Farbe zu bekennen. Wie beim Schnapsen. Wenn alle Karten behoben sind, heißt es Farbe zugeben, Farbe bekennen. Oder eben, wenn der andere zudreht. Farbzwang und Stichzwang. Da geht’s ans Eingemachte, verstehst du? Das gilt auch für Chefredakteure?
„Du willst diesen . . . wie heißt er, verdammt noch mal. . .?“
„Stocker?
„Genau. Du
Weitere Kostenlose Bücher