Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
zuadraht

zuadraht

Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
Vom Netzwerk:
gar nicht ernsthaft suchen. Und dass wir uns mitschuldig machen. Und dass wir was weiß ich noch alles. Die sind wie ein einziger großer Fleischwolf. Und ich bin das Faschierte.“ „Was hätten wir denn tun sollen?“, sagte ich. „Die Gute beschlagnahmen? Pressefreiheit ist eins der höchsten Güter unserer Verfassung, hast du das vergessen, Kurt? Das lernt man in der Grundausbildung. Die können drucken, was sie wollen.“ „Und meine Verfassung, zählt die denn gar nix?“
    Deine Blitzberufung zum Pressereferenten der Sonderkommission war ein voller Erfolg, mein lieber Kurt, dachte ich. Und du bist der Einzige, den ich für diesen Job entbehren will. „Du bist der Einzige, der diesen Job machen kann, Kurt. Du packst das schon.“ Kurz fixierte mich mit misstrauischer Verdrossenheit. „Warte, bis die die Moserkolumne kennen“, setzte ich nach, „da wird‘s erst richtig heiß hergehen. Wer war von der Guten da? Der Hochauer?“
    „Was weiß ich“, murmelte ein etwas abgekühlter Kurz missstimmig, und es war, als versänke er in unmutsvolles Schweigen, doch besann er sich plötzlich eines Besseren. „Ja, der Hochauer. Der ist die ganze Zeit nur dagesessen und hat stupid in sich hineingegrinst. Hat keine einzige Frage gestellt, als ob er nur sehen wollte, wie seine Kollegen reagieren. Er schien bereits alles zu wissen, Ferri.“ Kurz fixierte mich aufs Neue.
    „Willst du auf etwas Bestimmtes hinaus?“ Du kleines Arschloch, hätte ich noch gerne hinzugefügt, aber dann rennt einmal mehr der Kurz zum Kurzen und ich stehe beim Kurzen auf der Matte, kurz über lang quasi und dabei mehr lang als kurz, dachte ich fast schon erheitert, und was bleibt, ist eine offene Front mehr, die, in Tagen wie diesen, hätten der Klausberger und der Moser in ihrem Jargon gesagt, nix wie neuen Ärger bringt, und davon gibt es ja jetzt schon reichlich.
    „Ich weiß nicht, worauf ich hinauswollen könnte.“
    „Dann ist es ja gut.“ Ließen sich Blicke wie durch ein Brennglas fokussieren, mein lieber Kurt, dachte ich, würdest du mich auf der Stelle abfackeln.
    „Aber warum ich eigentlich gekommen bin fuhr er fort, „der Herr Direktor will dich sehen. Er ist zur Landesregierung gefahren. Krisensitzung mit Landeshauptfrau, Sicherheitsdirektor, Bürgermeister und und und. Punkt einundzwanzig Uhr will er zurück sein. Und er erwartet bis dahin deinen ausführlichen Bericht.“ Kurt schickte sich an, den geschäftigen Rückzug anzutreten, verschwand aus der Türe, tauchte aber ebenso rasch wieder darin auf. „Bevor ich es vergesse“, sagte er, griff in die Innentasche seiner Jacke, zog ein kleines, in Zeitungspapier eingeschlagenes Päckchen hervor und warf es mir zu. „Das schickt dir dein Freund Hochauer.“
    Ich lauschte dem Klappern der Absätze, die Kurz hastigen Schrittes über den steinbefliesten Paulustorgangboden davontrugen, und begann das Päckchen auszuwickeln. Bis neun Uhr sind es noch drei Stunden hin, dachte ich, Zeit genug für einen Bericht, und Zeit genug, um zuallererst . . .was soll das?. . . einen kleinen Besuch abzustatten . . . Doppeldeutsche? . . . Der Hochauer ist ein Fuchs. . . doppeldeutsche Schnapskarten, zwanzig Blatt . . . und eine handgeschriebene Notiz als Deckblatt?
    *
    „Torfsubstrat oder Orchideenerde, Willi, am besten mit etwas Sand gemischt.“
    Michelin saß bei schummrigem Dämmerlicht auf dem Drehsessel in seinem Kämmerchen, das direkt an die Laborräume der Kriminaltechnik anschloss, und blickte versonnen auf das blassgrüne Elend aus gegabelten Wedeln in seinen Händen. Die Geweihblätter, vormaliger Stolz der Platycerium und namenstiftend für die landläufige Bezeichnung Geweihfarn, hingen nun kraftlos und in sich verwunden zu Boden. „Er war immer eine Pracht, Ferri, seit ich ihn von dir bekommen habe.“ Michelin strich mit dem Zeigefinger über das oberste der trichterförmigen, zum Ende hin leicht gezackten und im Alter verbräunten Mantelblätter, ein spitzes Rascheln wie von Pergament. „Aber seit ein paar Tagen geht es rapide bergab. Er stirbt mir unter der Hand weg.“
    „Mehr Licht“, sagte ich.
    „Mehr Licht? Hat das nicht irgend so ein Dichter als letzte Worte gesagt?“ Michelin lächelte verlegen.
    „Schiller. . . nein, Goethe. Aber es könnte auch etwas viel Banaleres gewesen sein, Willi. Keine pralle Sonne.“
    „Das hat er gesagt?“
    „Der Farn, du darfst ihn nicht in die pralle Sonne stellen. Und den Ballen immer leicht feucht halten. Ein größerer

Weitere Kostenlose Bücher