zuadraht
Die Privatautos der Herrschaften sind ja nicht immer die besten. Kein Wunder bei dem Hungerlohn, gell? Und die Leute werden sich beschweren, mein Lieber, mein Lieber, wenn die Zeitungen auf einmal viel später daherkommen in der Früh, wo es doch eh ein jeder so eilig hat, mhhhm?“
„Arschloch“, staubte es aus dem erkalteten Milchschaumgesicht.
„Immer auf Augenhöhe mit Ihnen, Herr Chefredakteur. Sie erlauben?“ Stocker machte keinerlei Anstalten, als ich auf ihn zutrat und das Blatt Papier, das immer noch zwischen seinen Fingern klemmte, an mich nahm. „Der neue Hanser?“
Stocker nickte. „Über die Lehrer.“
„Postkasten?“
„Fax. Der Absender steht unten drauf. Sparen Sie sich die Mühe, wir haben die Nummer geprüft. Es ist das Hauptpostamt beim Andreas-Hofer-Platz. Nicht nur Sie wollen wissen, wo der Hanser steckt.“
Ich überflog das Pamphlet. „Sadisten, die Kinder erniedrigen . . . mhhhm. . . Karrieren abwürgen . . . ja, ja. . . keiner entfernt diese Krebsgeschwüre . . . da schau her. Na, einer tut s ja doch.“ Professionelle Wisssucht blitzte in Stockers hasserfüllter Visage auf. „Soll das heißen, dass es bereits einen dritten Toten gibt?“
„Wer weiß das schon. Schade drum“, sagte ich und wedelte mit der Kolumne durch die Luft. „Eigentlich hat er ja sogar ein bisserl Recht, der Hanser.“
„Ich krieg Sie am Arsch, Herrrrr Oberstleutnant.“
„Wenn ich falle, schnalle ich Sie mir um den Bauch, Herr Chefredakteur. Als Pufferzone für den Sturzflug. Möllemann im Doppelpack, wenn Sie so wollen. Bis dahin aber noch einen schönen Tag. Und vergessen Sie nicht: Wir haben ein kleines Arrangement.“
*
Steinbruch, Montagnachmittag
Schießen beruhigt und entspannt. Das war schon damals so, als ich beim Heer war. Und auch später, am Polizeischießstand. Ich kann mich an keinen Schießwettbewerb erinnern, den ich nicht gewonnen habe. Die Ausbildner haben mich ständig gedrängt, doch zu einen Sportschützenverein zu gehen. Ich sei ein außergewöhnliches Talent, hat man immer wieder gesagt. Wenn ich in die richtigen Hände geraten und professionell trainieren könnte, wäre alles drinnen. Staatsmeister, vielleicht sogar Olympiasieger. Hat mich nie interessiert. Ich war ja immer in den richtigen Händen, meinen eigenen. Was die wollten, war, dass ich mein Leben in die Hände eines besserwisserischen Experten legen sollte, der es dann so kneten konnte, wie er es haben wollte. Olympiasieger wollte ich nie werden, nur ein verdammt guter Polizist.
Jetzt habe ich nur noch Glocki und Smithy. Die einzigen wahren Freunde. Sie waren immer ehrlich zu mir. Smithy ist sogar registriert. Als Nachtwächter darf ich privat eine Waffe führen. Glocki ist der Untergrundkämpfer. Er hatte dem irren Waffennarren gehört, den wir in St. Peter hochgenommen hatten. Ein ganzer Keller voll. Hauptsächlich Militärwaffen. Vom Weltkriegszeug bis zur Kalaschnikow. Glocki habe ich damals einfach eingesteckt. Niemand hat sie vermisst.
Der heutige Tag und auch der morgige sind weiße Seiten in meinem roten Buch. Zur freien Verfügung, würde es in einem Reiseprospekt heißen. Die Pause ist eine taktische, die ich ganz bewusst zur Verwirrung der Jäger eingeschoben habe. Sie werden sie nutzen, um das Material zu bearbeiten, das sie an den Tatorten gefunden haben, und Hanser wird sich als Täter bei ihnen einzementieren. Einen anderen Schluss kann es nicht geben.
Alle weiteren Schritte sind ebenso exakt geplant. Das große Finale wird zur finalen Bombe. Akribisch recherchiert und Schritt für Schritt im roten Buch festgehalten.
*
Warum ist sie mir nicht gleich aufgefallen, dachte ich, als ich den Besprechungsraum betrat, ein Gedanke, der mich erst vor kurzem erfasst hatte. Nicht, weil das Viele noch mehr und aus sechzig zweiundsechzig Augen geworden sind, da müsste ich ja Autist sein, wie der . . . na, wie heißt er gleich, irgendwas mit Schmutz hat es zu tun, ja wie der Dustin Hoffman im Rainman, nein, vielmehr weil aus der Gesamtheit des Bekannten das eine Unbekannte heraussticht, weil also da ist, was nicht da sein sollte, nicht Weintrauben auf frisch poliertem Furnier, nicht die Puppe auf dem Schlüsselbord.
„Was Sie irritiert, bin ich, Herr Oberstleutnant.“
Die unbekannte Stimme zum unbekannten einunddreißigsten Augenpaar.
„Bela Schmaus. Ich bin die Neue. Aus Wien. Ich habe die Zeit von elf Uhr bis jetzt genutzt und mich mit den Kollegen bekannt gemacht.“
Die Neue. Die Zeit von elf
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