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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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Nachdenklichkeit. „Der Tod ist das Wechselspiel des Schlächters mit dem Schlachtvieh. Zeigen Sie niemals, dass Sie Teil der Maschinerie sind.“
    „Spinnst du?“
    „Der Leitspruch eines unserer Ausbildner“, fuhr Michelin fort. „Der Direktor hat Recht. Es ist eine Frage der Würde. Der Würde unseres Berufes, wenn es denn eine gibt. Teil dieser Würde ist es, die Würde anderer nicht zu verletzen.“
    „Und der Schlächter und das Schlachtvieh?“
    „Jeder Job hat seine besonderen Seiten, Ferri. Seine reizvollen ebenso wie seine respektlosen. Besondere Anforderungen, besondere Aufgaben, und auch eine besondere Sprache. Eine Sprache, die für uns alltäglich ist. Und gewöhnlich. Tritt sie aber nach außen hin auf, wirkt sie respektlos. Respektlos und würdelos. Das ist der Punkt. Du hättest mehr Respekt zeigen sollen und nicht von seinem Sakko reden.“
    „Respekt? Gegenüber einem Fährmann ohne Ä mit geschultertem Sakko?“
    „Ein Mindestmaß an Respekt gegenüber dem toten Alten da. Das wird auch von einem Kieberer erwartet, verstehst du?“ Ich nickte unschlüssig. „Und damit bin ich auch schon beim Schlächter und seinem Schlachtvieh“, fügte Michelin hinzu und begann, den toten Geier zu inspizieren. „Der Schlächter ist von einem respektvollen Umgang mit dem Schlachtvieh weit entfernt. Hat er keine persönliche Bindung zu ihm aufgebaut, ist und bleibt es ein namenloses Stück Vieh. Ein Stück Schlachtvieh eben, dessen Qualen ihn unbeeindruckt lassen. Steht der Schlächter aber als Fleischhauer hinter der Budel, dann preist er das Stück Fleisch an, als hätte er es aus seiner eigenen Lende geschnitten. Er wird es durch die Handflächen streichen lassen, mehrmals wenden und mit einem Lächeln präsentieren. Er gibt ihm ein Stück Würde und Respekt mit auf den Weg in die Verdauung. Ein verlogenes Spiel, aber die Kunden wollen es so.“ „Dann sind also wir die Schlächter vom Geier, und der Geier ist die Sau? Und der Fährmann ohne Ä der Kunde, der die Sau frisst? Scheißvergleich, Willi, sei mir nicht böse.“
    „Nun ja“, entgegnete Michelin ein wenig verunsichert. Er sprach langsam, als hätte er Angst, seine Worte überholten seine Gedanken. „Wir sind nicht direkt der Schlächter. Aber doch Teil der Maschinerie. Das Fleischerbeil, wenn du so willst. Das ist doch nur bildhaft.“
    Die Kollegen der Spurensicherung keuchten mit schweren Koffern in die Klasse. Perfekter Auftritt, dachte ich, wie der Seniorenbetreuer, der zwei blinde, lahme Alte aus der Sackgasse holt. „Eine Zugleiche“, sagte der Erste mit entschuldigendem Achselzucken und Blick auf die Uhr. „Bis du da alles beisammen hast, das dauert.“
    „Fast schon penetrant“, sagte Michelin, und als hätte er meinen Zweifel erahnt, deutete er zur Tafel hin und setzte nach: „Diesen neuerlichen Hinweis auf den Hanser, meine ich, findest du nicht?“
    „Ja, aber es ist unser einziger Trumpf. Bisher. Wie beim Schnapsen.“
    „Wie beim Schnapsen?“
    Wo bleibt jetzt die Analogie, fragte ich mich. „Vergiss es, Willi. Ist genauso ein Scheißvergleich. Eigentlich ist es gar kein Vergleich. Aber es erinnert mich an etwas. Irgendeiner muss die Witwe Geier übernehmen. Sag das dem Stillhofer. Schafft ihr es bis zur Besprechung um elf?“
    „Ich denke schon.“
    „Gut. Ich muss noch einen Sprung in die Altstadt. Ein bisschen Kartenspielen.“
    *

Steinbruch bei Graz, Montagnachmittag
    Es ist nicht einfach, in einem so dicht besiedelten Gebiet, wie es das Land um Graz ist, einen Ort zu finden, an dem man ungehindert und vor allem ungehört eine Waffe abfeuern kann. Man muss schon eine halbe Stunde lang fahren und dann das Glück haben, im verlassenen Steinbruch auf keine Mineraliensammler oder andere seltsame Käuze zu treffen. Natürlich habe ich mein Privatauto und nicht den Dienstwagen genommen. Dort, wo ich ihn geparkt habe, ist er nur dann zu sehen, wenn man unmittelbar davor steht. Aber auch wenn man den Wagen und mich erkennen würde, wäre mein Aufenthalt hier absolut unverdächtig. Ich und mein Wagen waren schon so oft hier, und ich habe hier schon so oft mit meinen Pistolen auf die Felswände gefeuert, dass man mich als gewohnten Anblick betrachten würde.
    Irgendwie ist es immer ein Wettkampf zwischen der Glock und der Smith & Wesson. Österreich gegen USA. Viehhirte gegen Cowboy. Einmal gewinnt Glocki, dann wieder Smithy. Und ich schwöre, dass es nichts mit Herkunft und Vaterland zu tun hat, im Gegenteil, aber es

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