zuadraht
gelinst hatte, mich nun aber aus paradeisergroßen Augen anstarrte, mit einem Ruck und einem krächzenden „Was fällt Ihnen ein“ vom Drohnenplatz aufsprang und zielstrebig auf das Ecktischchen zusteuerte.
„Vernichtung von Beweismittel“, sagte ich so ruhig wie möglich, weil die Ruhe, wie man weiß, dachte ich, mitunter der bessere Sturm ist, und tat zwei Schritte zum Reißwolf hin. „Ich werde Sie daran hindern, wenn nötig, mit Gewalt.“
„Beweismittel?“, rief Stocker.
„Wenn ich daran denke, dass Ihre Frau und der Klausberger . . .“
„Was fällt Ihnen ein?“ Stocker erstarrte auf halbem Wege zur chefredaktionellen Säule.
„Sie sollten auf die richtigen Pressekonferenzen gehen, Herr Chefredakteur. Da erfährt man allerhand. Haben Sie Lust auf ein kleines Geschäft?“
„Wer lässt fragen, hä?“
„Einer, ich darf zitieren, der ehrvolle Bürger verschüchtert und bedroht, anstatt sich auf die Suche nach dem Mörder zu machen.“
„Das war für die Pickerl an der Türe vom Hanser. Und dass Sie mit mir geschrieen haben.“ Stocker grinste. „Was könnten Sie mir schon anbieten.“
„Ein wunderbares Geschäft, Herr Stocker, ein wunderbares Geschäft für uns beide. Es hat bloß einen kleinen Haken. Ich kann es anbieten. Sie müssen es annehmen.“
„Einen Dreck muss ich, Herr Leimböck. Und Sie wissen das. Pressefreiheit, schon einmal davon gehört?“ Stockers bis dahin reglose Erscheinung kam in Bewegung, er reckte den Hals, und mir war, als wollte er ein kurzes Tief auf dem Weg zum Oberwasser mit kräftigen Nackentempi durchtauchen.
Trumpfsau? Trumpfzehner? Oder doch eine tote Fremdfarbe zum Reizen, überlegte ich, zum Atoutziehen, damit er seinen Vierziger zerreißt? Die tote Fremdfarbe zum Reizen. „Ja, Pressefreiheit, Herr Stocker. Wie der Name schon sagt. Treffender hätten Sie es gar nicht formulieren können. Pressefreiheit. Beim Frühstück mit dem Kipferl im Kaffee stippen und die Konkurrenzblätter studieren. Die Presse in Freiheit genießen. Bloß mit der Freiheit ist es vorbei in der Untersuchungshaft, und Zeitung kriegen Sie dort auch keine.“ Stimmt zwar nicht, dachte ich, aber woher sollte der Stocker das wissen?
Stocker erstarrte aufs Neue. Stocksteif war er, einzig die Augen wuchsen merklich an und quollen golfballgroß aus ihren Höhlen. „Sie drohen mir schon wieder?“
Da, das Zucken in seiner Visage, wie vom Hochauer beschrieben, durchfuhr es mich. Jetzt den Zehner nachspielen, Ferri. „Bedenken Sie Ihre Situation, Herr Chefredakteur. Der Hanser ist dringend tatverdächtig, und Sie schützen ihn. Dazu der Klausberger, unser erstes Mordopfer, der Ihnen mit Ihrer werten Gemahlin Hörner aufgesetzt hat. Wenn das kein Motiv ist. Beihilfe ist da allemal drin. Dazu Verdunkelungsgefahr und Verabredungsgefahr. Und womöglich Fluchtgefahr. Aber das haben wir ja schon besprochen, nicht wahr? Alles in allem beste Voraussetzungen für gesiebte Luft. Die Staatsanwaltschaft sieht das ähnlich. Und der Untersuchungsrichter soll sich, wie man hört, ganz besonders weisungsfrei geben. Das unterscheidet ihn von unserem Verein. Mich können s‘ bestenfalls suspendieren. Vorübergehend. Das sitze ich aus. Pragmatisierung, Sie verstehen? Aber ein Chefredakteur mit Hafterfahrung macht keinen schlanken Fuß in der Verlegerbranche.“
Stocker stand da wie ein Klumpen erst geschäumter und dann schockgefrorener Milch. „Was wollen Sie?“, schnaubte er. „Ihre Zusage, dass keine Hanser-Kolumne mehr erscheint.“ „Ha! Den Teufel werde ich!“
„Der Teufel wird Sie, mein Lieber, und zwar holen, wenn Sie sich quer legen. Sehen Sie mich ein klein wenig als Ihren Beschützer, Herr Stocker. Ihr Pate. Ihr Pate von Amts wegen, wenn Sie so wollen. Zwei Millionen Euro sind eine Menge Geld.“ „Wovon reden Sie?“
„Presseförderung, Herr Chefredakteur. Was glauben Sie denn, wenn bei der KommAustria die richtigen Leute zu den richtigen Schlüssen kommen. Etwa zu jenen, dass die Gute nicht mehr förderungswürdig ist. Ausschlussgründe gibt es ja reichlich, oder? Und privatrechtlichen Anspruch haben Sie keinen auf das Geld. Sie wissen das. Ich weiß das. Und Ihr Arbeitgeber weiß das auch.“ Wenn‘s weh tut, draufbleiben, Ferri. Jetzt die Sau nachspielen. „Ich könnte auch bei den Kollegen vom Streifendienst ein gutes Wort einlegen. Zum Beispiel dafür, dass sie nicht wochenlang Tag für Tag ihre Ausfahrer filzen. So eine Verkehrskontrolle, na, was glauben Sie, die dauert.
Weitere Kostenlose Bücher