Zuckerblut
Blutstropfen auf der Karte kennzeichnete.
»Die Adresse auf dem Kuvert war doch von Hand beschriftet. Sicherlich findet sich in ihrer Wohnung etwas, das sie geschrieben hat. Da soll unser Spezialist mal einen Vergleich anstellen.«
»Gute Idee, Oskar«, nickte sein Kollege und gab den Auftrag gleich über Handy weiter.
Sie erreichten die Stelle, die der Markierung auf dem Stadtplan entsprach. Ein Wohngebiet abseits der Durchgangsstraßen, Häuser mit sechs bis acht Wohnungen, gepflegte Vorgärten, Rosenbeete und Rasen, der in diesem Frühjahr mindestens schon mindestens zwei Mal gekürzt worden war.
»Wenn man es ganz genau nimmt«, sagte Wellmann und drehte den Plan leicht zur Seite, dann müsste es das dritte Haus dort drüben auf der anderen Straßenseite sein.«
»Hmm ...«, brummte Lindt, schaute sich um und klopfte die mittlerweile leergerauchte Pfeife am Absatz aus. »Hmm ..., ich kann aber an dem Haus nichts Besonderes entdecken. Fällt dir was auf, Paul?«
»Von außen alles ganz normal, nichts Außergewöhnliches. Dann müssen wir eben doch jemanden ansprechen, auch, wenn es vielleicht Aufsehen erregt.«
»Aber was fragen wir am besten? Wonach suchen wir denn eigentlich? Ist hier irgendwann irgendwas geschehen? Wohnt in dem Haus dort jemand, den wir mit dem Blutstropfen in Verbindung bringen können?« Ziemlich ratlos kratzte sich Lindt am Ohr. »Eigentlich stochere ich nicht gern in einem Heuhaufen herum und suche nach der sprichwörtlichen Nadel. Wir müssten schon ein kleines Indiz haben, nach dem wir suchen.«
Er schüttelte den Kopf: »Paul, ich glaube, das hier wäre vertane Zeit. Erst fahren wir die anderen vier Stellen noch an. Vielleicht ergibt sich schon äußerlich irgendeine Gemeinsamkeit bei den Häusern.«
Doch weder in Rüppurr, noch in der Nähe des Hauptbahnhofs, in der Süd- oder der Oststadt fanden sie, was sie suchten. Jedes Mal wies der auf dem Stadtplan präzise angebrachte kleine Fleck auf ein völlig unauffälliges Wohnhaus hin. Stets war das Umfeld gepflegt und nach den Marken und der Größe der geparkten Autos zu urteilen, schienen die Anwohner großteils zur gehobenen Mittelschicht zu gehören. Art und Baustil der Häuser waren zwar jeweils verschieden, vom Jugendstil-Bürgerhaus der Oststadt bis zum Siebzigerjahre-Betonbau in Rüppurr, aber dem äußeren Eindruck nach handelte es sich bei jedem der fünf Häuser um Gebäude mit Stadtwohnungen des oberen Preissegments.
In der Oststadt, am letzten der fünf Punkte, waren Lindt und Wellmann ein wenig auf dem Gehsteig der gegenüberliegenden Straßenseite entlanggegangen und hatten das betreffende Gebäude betrachtet. Sie kamen an einem kleinen Straßencafé vorbei und blieben stehen.
»Sollen wir, Oskar?« Lindt nickte und beide setzten sich.
Die Bedienung nahm die Bestellung auf und servierte ihren momentan einzigen Gästen einen Café-au-lait und eine große Apfelschorle.
Automatisch stopfte Lindt seine Pfeife mit Navy-Flake und betrachtete weiterhin das Gebäude auf der anderen Straßenseite.
Wo war nur der Zusammenhang zwischen den fünf Markierungen? Blutstropfen, fein säuberlich auf den Stadtplan getupft – hatte das Schwester Andrea gemacht?
Neben ihren Fingerabdrücken waren ja noch andere auf dem Plan, leider nur sehr unvollständige Fragmente.
»Blut von fünf verschiedenen Menschen, Paul. Worauf kann das hindeuten? Sind diese Punkte extra für uns gemacht worden? Zufällig haben wir den Plan jedenfalls nicht bekommen, er war direkt an mich adressiert.«
Wellmann setzte seine Apfelschorle ab. »Wenn wir außen an den fünf Häusern keine Gemeinsamkeiten finden, dann eben innen, das Blut deutet doch darauf hin. Blut ist Leben, Oskar. Wir müssen uns um die Menschen kümmern, die da wohnen.«
»Oder gewohnt haben ...«, führte Lindt spontan die Gedanken seines Kollegen fort. »Lass uns doch mal die Daten vom Einwohnermeldeamt vergleichen.«
Er wählte die Telefonnummer ihres Büros im Präsidium und nannte Jan Sternberg, der noch mit Recherchen über den Pflegedienst Weinbrecht beschäftigt war, die Straßennamen und Nummern der fünf markierten Häuser.
»Bitte auch die Wechsel des letzten Jahres mit erfassen«, gab Lindt seinem Mitarbeiter die Anweisung. Als Sternberg nicht gleich begriff, erklärte er noch genauer: »Ich möchte auch wissen, ob jemand ausgezogen, neu eingezogen oder zum Beispiel verstorben ist. Klar?«
»Verstanden, Chef, ich mache mich gleich dran.«
Bis zur Besprechung,
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