Zuckerblut
sein Onkel, ein alter Richter ... plötzlich gestorben«, sagte sie gedehnt, »da war doch was. Da habe ich im Büro etwas aufgeschnappt. Moment mal, ich muss überlegen, worüber die Chefinnen neulich beim Kaffee gesprochen haben.«
Carla hatte vor einigen Jahren wieder eine Arbeit angenommen. Die Kanzlei von drei Rechtsanwältinnen in einem der vornehmen Jugendstilhäuser der Oststadt konnte sie bequem mit Fahrrad oder Straßenbahn erreichen. Durch ihre umsichtige und freundliche Art war Lindts Frau dort sehr anerkannt, obwohl sie vor ihrer Kinderpause nicht als Rechtsanwaltsgehilfin, sondern als Verwaltungsangestellte gearbeitet hatte.
»Baumbach, ich meine Baumbach hätten beide geheißen, der Anwalt und sein Onkel, der Richter. Kann das sein?«
»Der Name könnte passen«, meinte ihr Mann, der gerade für ein provenzalisches Nudelgericht zwei kleine Auberginen in Scheiben schnitt.
»Ich meine«, überlegte Carla weiter, »dieser Rechtsanwalt hat vor ein paar Monaten die Gegenseite vertreten, als wir einen Zivilprozess wegen Baumängeln führten.« Obwohl sie eigentlich nur als Schreibkraft in der Kanzlei arbeitete, hatte sie dennoch häufig Kontakt mit den Mandanten und identifizierte sich sehr mit den Fällen, die bearbeitet wurden.
»Weißt du, Pfusch bei der Renovierung einer Altbau-Villa in Durlach. Ein halbes Jahr nach den Arbeiten gab es immer mehr Risse im Putz der Wände, Fliesen sind gesprungen und schließlich ist sogar ein Heizungsrohr gebrochen. Da war doch tatsächlich eine tragende Wand entfernt worden. Hab ich dir das nicht auch erzählt?«
Lindt schichtete die Auberginenscheiben in ein Sieb und streute reichlich Meersalz darüber, um sie weinen zu lassen. Er dachte kurz nach und meinte dann, er könne sich erinnern. Gerade wegen seiner kritischen Distanz zum Berufsstand der Juristen hörte er immer interessiert zu, wenn seine Frau etwas von ihrer Arbeit erzählte.
»Wir hatten die beiden Hauseigentümerinnen als Mandantschaft. Architekt und Statiker wurden von diesem Baumbach vertreten. Ein unangenehmer Typ! Ich habe ihn ja nur am Telefon erlebt und das hat mir schon gereicht.« Carla nahm italienische Tomaten aus einem Glas und zerkleinerte sie mit dem großem breiten Kochmesser.
»Hatte eure Gegenseite damals nicht ein sehr zweifelhaftes Beweisstück vorgelegt?«
»Ja genau, die zauberten ein passend datiertes Schreiben aus dem Hut, in dem der Statiker es für problematisch hielt, die besagte Wand zu entfernen und behaupteten dann ganz frech, die Bauherrschaft hätte aus optischen Gründen trotzdem darauf bestanden, das tragende Element herauszunehmen. War natürlich alles gelogen und der Aktenvermerk nachträglich aufgesetzt worden, aber die Hauseigentümerinnen konnten halt nicht beweisen, dass sie dieses Schriftstück nicht erhalten hatten.«
»Und dann stand Aussage gegen Aussage.«
»Genau Oskar, ein ganz fieser Trick war das und unsere Mandantinnen blieben auf ihrem Schaden sitzen. Im Zweifel für den Angeklagten!«
Carla konnte sich über derartige ›Schweinereien‹, wie sie sich ausdrückte, wahnsinnig aufregen.
»Anständige Menschen aufs Kreuz legen! Fast hätte ich diesen Baumbach am Telefon dann als ›Gangsteranwalt‹ bezeichnet, aber den Ausdruck habe ich gerade noch mal runtergeschluckt.«
»Da hast du gut daran getan«, meinte Lindt, während er den Auberginen, die in der Zwischenzeit reichlich Wasser gezogen hatten, das Salz abspülte und sie auf Küchenkrepp trocknete.
»Da wärst du sicherlich wegen ›Wahrsagerei‹ teuer bestraft worden.« In seiner langen Berufszeit hatte er sich angewöhnt, besonnen zu bleiben und nur das öffentlich zu äußern, was zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.
»Auch, wenn es auf der Hand liegt, dass da üble Machenschaften im Gang sind – sagen darf man längst nicht alles, was wahr ist.«
»Leider, leider«, bedauerte seine Frau und reichte ihm die gehackten Tomaten, damit er sie nach den Auberginenstücken zu den schon glasig angeschwitzten Zwiebel- und Knoblauchwürfelchen in die Pfanne geben konnte.
»Ein total unangenehmer Mensch also, dieser Baumbach und wirtschaftlich stand der damals gar nicht gut da, das war in Anwaltskreisen irgendwie bekannt«, fuhr sie fort.
»Und jetzt, auf ein Mal, taucht der mit einem neuen großen Cabrio auf dem Gerichtsparkplatz auf, trägt nur noch vornehme Maßanzüge und speist immer beim Edel- Italiener. Das hat meine Chefinnen furchtbar aufgeregt, nach dem verlorenen Prozess
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