Zuckerblut
sowieso. Aber nachdem sie von dem plötzlichen Tod seines Onkels erfahren hatten, war alles klar. So eine dicke Erbschaft wünschen wir uns auch mal, nicht wahr, Oskar.«
»Es trifft halt immer die Falschen. Wir würden ja nur ein kleines Ferienhäuschen am Atlantik kaufen, dann könnten wir uns die Bretagne noch öfter leisten.« Lindt und seine Frau planten schon jetzt ab und zu, was sie später mal alles unternehmen wollten, aber der finanzielle Rahmen reichte gerade für ihre Eigentumswohnung und das Studium der Töchter.
»Ja, daraus wird sicher nichts, aber träumen darf man trotzdem. Könntest du nicht mal eine dicke Belohnung kassieren, wenn du so einen Mörder fängst?«
»Schön wär’s«, meinte Lindt, während er das Gemüse auf mittlerer Flamme des Gasherds briet und ab und zu wendete. »Ich werde halt für diese Arbeit bezahlt, aber wenn ein entscheidender Tipp von meiner Frau käme, müsste ich mal mit unserem netten Staatsanwalt ein paar Takte reden ...«
Carla schmeckte das Gericht ab, gab reichlich Thymian und einen Rosmarinzweig dazu – ›für den echten Geschmack nach Provence‹ - , vermengte das Gemüse mit den gekochten Makkaroni, belegte alles mit Mozzarellascheiben und etwas geriebenem Parmesan, um es noch eine Weile im Ofen zu überbacken.
Eher schweigend aßen sie zuerst den Salat und dann ihre franko-italienische Nudelkomposition ›al Forno‹, wobei Lindt der als unangenehm beschriebene Anwalt Baumbach nicht aus dem Kopf ging. Auf jeden Fall stand er in Zusammenhang mit einem Todesfall unter den Patienten von Schwester Andrea.
»Wir müssen ihm mal auf den Zahn fühlen«, brach er unvermittelt und mit halbvollem Mund die Stille beim Essen.
»Wem denn«, wollte seine Frau wissen, denn ihre Gedanken kreisten jetzt nicht mehr um das zuvor besprochene Thema, sondern eher um den Studienfortschritt der Töchter.
»Na, diesem Baumbach, aber ich weiß nur noch nicht, wie ich es anstellen soll, ohne dass er gleich was wittert.« Er überlegte hin und her, denn bei einem fast bankrotten Rechtsanwalt mit zweifelhaftem Charakter konnte er sich durchaus vorstellen, dass dieser beim Ableben seines vermögenden alten und kranken Onkels etwas nachgeholfen hatte.
»Beschleunigtes Herbeiführen einer lukrativen Erbschaft« nannte Lindt es am nächsten Morgen bei der kurzen Tagesbesprechung, als er mit Paul Wellmann und Jan Sternberg seine Gedanken austauschte.
»Zuerst müssen wir mal herausbekommen, ob der Anwalt tatsächlich geerbt hat«, konstatierte Sternberg, »das kann ich übernehmen. Aber wenn es wieder so lange dauert, Auskünfte zu bekommen, wie bei diesen fünf anderen Todesfällen, dann brauchen wir Geduld.«
Lindt war überrascht: »Gibt es dort schon Ergebnisse? Da hast du gestern Nachmittag gar nichts davon gesagt.«
Jan Sternberg lächelte leicht süffisant: »Ich bin halt noch etwas länger im Büro geblieben, als meine beiden älteren Kollegen und habe tatsächlich Rückrufe von zwei Angehörigen erhalten.«
»Und, und ... was haben die gesagt, spann uns nicht so lange auf die Folter!«
»Also ... Chef«, sprach er gedehnt, um seine Ergebnisse auch gebührend zu präsentieren und dabei absichtlich das von Lindt häufig benutzte Wörtchen ›also‹ zu verwenden, »also, Chef, die sind alle stocksauer.«
»Wieso denn das?« Auch Paul Wellmann hörte höchst interessiert zu.
»Ich will es kurz machen«, verlängerte Sternberg seinen Vortrag bewusst noch etwas, »die Erben gingen ziemlich leer aus. Es handelte sich zwar in beiden Fällen nur um Verwandte zweiten Grades, also Nichten und Neffen und der Kontakt zu den Verstorbenen war wirklich eher dürftig, aber als einzige Angehörige waren sie sich ihrer Sache doch sehr sicher gewesen. Zu sicher, wie sich im Nachhinein herausstellte.«
»Vermögend scheinen ja alle fünf der alten Leute gewesen zu sein«, erinnerte sich Lindt wieder an die gehobenen Wohnlagen, die er mit Paul Wellmann zusammen am Tag zuvor aufgesucht hatte.
»Genau so war es und in den beiden Fällen, die ich bis jetzt recherchieren konnte, gingen die Nachlässe fast komplett an ... Na, kommt ihr drauf?«
Lindt schaute Wellmann an, der schaute zurück, beiden kam der gestrige Tag wieder in den Sinn und fast gemeinsam sagten sie: »Doch nicht etwa dieser Verein?«
»Ganz richtig, die ›Kindernothilfe Südost‹! Was sagt ihr nun?«
Den beiden älteren Kommissaren hatte es erst mal die Sprache verschlagen, bis Lindt schließlich durch die Zähne
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