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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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ersparen.
    Der Kommissar drehte das Autoradio lauter und hörte von sechs Kilometern Stau mit zunehmender Tendenz auf der Autobahn A 8 zwischen den Anschlussstellen Pforzheim-West und Karlsbad. Umleitungsstrecken wurden empfohlen, aber die letzte Abfahrt hatte Lindt schon vor einiger Zeit passiert. Es half alles nichts, er saß fest und der Rundfunksprecher verkündete gerade in sonorem Ton, dass die Bergungsarbeiten noch mindestens zwei Stunden andauern würden.
    Er betrachtete den ›Sprinter‹, der direkt vor ihm stand und dessen hohe Rückwand die Sicht nach vorne total versperrte. Diese stark motorisierten Kleintransporter verursachten derzeit immer häufiger schwere Unfälle durch überhöhte Geschwindigkeit. Jetzt hatte er allerdings Zwangspause wie alle.
    Sechs Kilometer Autoschlange ohne den geringsten Fortschritt. Lindt fühlte sich eingeengt. Vorne der Transporter und auf der Spur neben dem Citroën des Kommissars ein wenig Vertrauen erweckender uralter LUAZ-Lastzug mit ukrainischem Kennzeichen. Glücklicherweise hatte der seinen Ruß speienden Motor zwischenzeitlich abgestellt, so dass Lindts Pfeife die einzige Abgasquelle im Umkreis war, aber die dreckig-dunkelgraue Plane des Sattel-Aufliegers nahm ihm vollständig die Sicht zum Fahrbahnrand. Er kam sich tief unten in seinem Pkw irgendwie eingeklemmt vor. Selbst nach links konnte er nichts sehen. Auf den Leitplanken des Mittelstreifens waren hohe dunkelgrüne Kunststoffelemente als Blendschutz installiert und ließen keinen Ausblick zu.
    Oskar Lindts Gedanken kreisten um den Fall Andrea Helmholz und die Worte von Staatsanwalt Conradi. Selbst, wenn die Einäscherungsverfügung gefälscht war, reichte ein Gutachten darüber noch längst nicht aus, den Anwalt festzusetzen.
    Und wenn das Schriftstück echt war? Lindt raufte sich das noch erstaunlich dichte Haupthaar. Nur seine Stirn hatte sich schon deutlich nach oben verschoben. Unwillkürlich drehte er in einem Anflug von Eitelkeit den Innenspiegel so, dass er sich darin betrachten konnte.
    ›Volles Haar und nur noch ein paar Jahre bis zur Pensionierung – mit Ausnahme deines Körpergewichts hast du dich eigentlich ganz gut gehalten‹, sagte er unhörbar zu sich selbst, schaute aber gleich erschrocken herum, ob nicht jemand in den Autos, die hinter ihm standen, seine Selbstbetrachtung bemerkt hatte.
    Ach ja, über die Verfügung des alten Richters Baumbach hatte er gerade nachgedacht. ›Irgendwie klammerst du dich gerade daran fest wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm – da muss doch noch mehr sein, was die Ermittlungen vorwärts bringt‹, ging ihm durch den Kopf. ›Viel ist es allerdings nicht, was wir bisher haben. Die tote Krankenschwester mit rätselhaft unauffälligem Lebenswandel, ein grüner Fußabdruck auf ihrem Balkon, die eingeschlagene Scheibe, die durchsuchte Wohnung und dann noch der geheimnisvoll blutverspritzte Stadtplan mit den Fingerabdrücken der Ermordeten. Das war’s! Keine Anhaltspunkte für ein Motiv, keine Personen, die vom Tod der Frau irgendeinen Vorteil hätten, Geld besaß sie sicherlich auch nicht viel.‹
    Lindt hatte das Gefühl, mit seinen Ermittlungen genauso blockiert zu sein, wie momentan mit dem Wagen im Stau. Nichts bewegte sich – weder vorwärts noch rückwärts. ›Ja, rückwärts – vielleicht ist dieses Bild ganz passend, vielleicht haben wir einfach die richtige Ausfahrt verpasst, ein Richtungsschild übersehen, einen entscheidenden Hinweis nicht bemerkt.‹
    Er krallte sich mit beiden Händen in die veloursbezogenen Seitenteile des Fahrersitzes und merkte, wie seine Selbstzweifel stärker und stärker wurden. ›Natürlich haben wir eine hohe Aufklärungsrate‹, versuchte er sich zu beruhigen, ›wir liegen mit an der Spitze im ganzen Land.‹ Doch er wusste genau, dass die wenigen unaufgeklärten Fälle seiner nun fast vierzigjährigen Dienstzeit bei passender Gelegenheit immer wieder aus dem Unterbewusstsein auftauchten, um dann als steinerne Mahnmale des Versagens vor ihm zu stehen.
    Der alterfahrene Kriminalist dachte daran zurück, wie er vor langer Zeit mit siebzehn Jahren und dem heißen Wunsch, gegen das Unrecht zu kämpfen, in die Polizei eingetreten war. Ein starkes Verlangen nach Gerechtigkeit bestimmte sein Handeln immer noch – auch, wenn sein gemütlich wirkendes Äußeres und der behäbige Arbeitsstil nicht gerade das von der Öffentlichkeit gesuchte Bild eines dynamischen Verbrechensbekämpfers erfüllten.
    Der Kommissar rief sich

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