Zuckerblut
bitte, ich erkläre es dir später« – und konzentrierte sich weiter darauf, dem Gespräch von nebenan zu folgen.
»Hat es Ihnen geschmeckt?« Der Kellner unterbrach Lindts Lauschangriff.
»Prima, wirklich erstklassig«, lobte er sein Steak. »Sagen Sie, stammt das Fleisch wirklich von den Tieren da draußen? So zart – trotz diesem rauen Klima hier oben? Und was diese Hinterwälder alles fressen, wir haben sie beobachtet, lauter so borstiges hartes Zeug, also mir würde das nicht schmecken.«
Der Kellner lachte: »Ehrenwort, alles von hier, wir kennen jedes Rind mit Namen. Die verbringen den ganzen Sommer auf den Weiden dort drüben. Ja und was das Futter anbelangt, das landet quasi umgewandelt und zum Steak veredelt auf den Tellern unserer Gäste.«
Lindt schmunzelte: »Hervorragend, Kompliment an den Küchenchef. Der versteht sein Handwerk wirklich.«
Carla nickte zustimmend: »Meine Pilze waren auch ganz hervorragend. Sagen Sie bloß, die sind auch noch selbst gesammelt?«
»Leider nicht, aber unsere langjährigen Lieferanten versorgen uns immer mit erstklassiger Ware«, antwortete der Ober und griff nach den Tellern, um abzuräumen.
»Hoppla«, Lindt machte noch eine ausweichende Bewegung, doch es war schon passiert. Ein winziger Spritzer Soße verzierte jetzt sein Hemd.
Der Kellner war absolut untröstlich und entschuldigte sich mehrmals für die Ungeschicklichkeit.
»Ach, nicht so schlimm, das geht beim nächsten Waschen wieder raus«, wollte Carla abwehren, doch sicherlich ging es dem Ober gegen die Berufsehre. Zudem hatten mehrere Kolleginnen schon herübergeschaut und so bestand er darauf, das Gericht von der Rechnung zu nehmen.
Lindt tauchte einen Zipfel der vornehmen Stoffserviette in sein Mineralwasserglas und wollte damit den Soßenfleck wieder entfernen.
»Oskar, nein, lass das bloß! Du machst es nur noch schlimmer. Ist doch nicht das einzige Hemd, das du dabei hast.« Carla war genervt. Erst das Belauschen der Leute am Nebentisch und dann noch dieses unmögliche Benehmen.
»Meines Wissens ist ›Versuchte Fleckentfernung‹ aber nicht strafbar«, begann ihr Mann die Situation wieder zu entspannen.
»Dafür sollte man einen extra Paragraphen ins Strafgesetz aufnehmen, gleich nach der ›fahrlässigen Hemdverschmutzung‹«, flachste sie zurück, »aber wahrscheinlich ziehen sie das dem armen Ober jetzt vom Gehalt ab.«
Sie hatte sich wieder weitgehend beruhigt, da bemerkte Lindt, dass er vom Nebentisch gar nichts mehr hörte.
»Die werden doch nicht ...«
Schnell stand er auf und machte ein paar Schritte, um seitlich an dem Raumteiler vorbeispähen zu können. Tatsächlich, ›Mist‹, durchfuhr es ihn, der Tisch war leer.
»Kann ich Ihnen helfen?« Unbemerkt war der Ober von hinten herangetreten und hatte Lindt beim Um-dieEcke-Schauen ertappt.
»Äh, nein ...«, stotterte er und es war ihm ganz unangenehm, quasi ›in flagranti‹ erwischt worden zu sein, »ich wollte nur ... also ... ach, nichts.«
Schnell fing er sich aber wieder und versuchte, die Situation auszunutzen. »Die Leute, die dort saßen ...«, sagte er zum Kellner und zeigte auf den leeren Tisch, »der Stimme nach meinte ich sie zu kennen, aber ich kam nicht drauf. Wissen Sie vielleicht, wer ...«
»Bedaure«, schüttelte der Ober mit dem distinguierten Blick eines altenglischen Butlers den Kopf, »völlig unbekannt und außerdem hat dort eine Kollegin serviert.«
»Das hast du nun davon«, schalt zu allem Überfluss auch noch Carla, als ihr Mann an den Tisch zurückkehrte. »Herumspionieren mag man in solch vornehmen Häusern nun mal gar nicht.«
»Gesagt hätte er es mir ohnehin nicht, die sind hier alle sehr diskret«, ließ er sich schulterzuckend wieder auf seinen Stuhl sinken.
Den schweren dunkelgrauen Wagen, der eben draußen vor dem Hotel wegfuhr, bemerkte er leider nicht mehr.
17
»Richtig gut erholt sieht er aus, unser Chef«, stellte Jan Sternberg fest, als Lindt am Dienstag wieder ins Präsidium kam. Auch Paul Wellmann pflichtete ihm bei: »Doch, Oskar, du hast Farbe bekommen. Darf man fragen, wo ...?«
Bereitwillig berichtete der Kommissar vom verlängerten ›Wander – Wellness – Schlemmer-Wochenende‹ auf den Schwarzwaldhöhen. »Und gestern auf der Rückfahrt noch ein kleiner Bummel durch Baden-Baden, wunderbar, die Lichtentaler Allee, und weiter an der Oos entlang ...«
»Aha«, Jan Sternberg grinste, »waren auch ein paar Runden Roulette im Kasino angesagt?«
»Rien ne va plus,
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