Zuckerguss (German Edition)
schüttelt. Meine ganze Familie wickele ich mit Notlügen gekonnt um den kleinen Finger, aber an David beiße ich mir die Zähne aus. Er muss mich nur ansehen, um zu wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt. »Also schön, du hast recht«, kapituliere ich widerwillig.
»Darum geht es gar nicht!«, entgegnet er mit einer Eiseskälte.
Ich zucke zusammen. »Nicht?«
»Miriam, du überredest mich, deinen Freund zu spielen, nur um mich keine fünf Minuten später vor deiner Mutter als Mistkerl zu beschimpfen. Und jetzt führst du dich auf, als wäre nichts gewesen. Entschuldige, aber dafür fehlt mir das Verständnis.«
Mein übrig gebliebener Stolz verbietet es mir, ihm zuzustimmen. Im Übrigen war David mir gegenüber auch alles andere als ehrlich. Sein scheinheiliges Getue kann er sich folglich sparen. »Und was ist mit dir? Hast du mir etwa vorher gesagt, dass du der verdammte Fotograf meiner Mutter bist? Tu also nicht so, als ob ich die einzige Verlogene hier wäre.«
»Was wirfst du mir eigentlich vor? Dass ich einer mir völlig fremden Person nicht sofort meine komplette Lebensgeschichte erzählt habe? Ich habe angeboten, dir zu helfen, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich allerdings vorher gewusst hätte, dass du die Tochter meiner Auftraggeberin bist, hätte ich mich zu dieser bescheuerten Idee gewiss nicht breitschlagen lassen. Da kannst du sicher sein.«
»Immerhin bezahle ich dich dafür«, knalle ich ihm um die Ohren und erschrecke selbst, wie schrill ich klinge.
»Bisher habe ich keinen einzigen Cent gesehen«, antwortet David kühl.
Tja, ähm …
»Ach, hier steckt ihr beiden Turteltäubchen.«
Ich unterdrücke ein Stöhnen. Meine Mutter, wie immer perfektes Timing. »Was gibt’s denn, Mama?«
»Ich störe das glückliche Paar nur ganz kurz«, verspricht sie augenzwinkernd und streicht mir zärtlich über die Wange. Nein, Mama, es ist nicht, wonach es aussieht. Sosehr du es dir auch wünschst. David und Miriam haben sich nicht mehr lieb.
Keine Traumhochzeit.
Keine Kinder.
Kein Happy End.
»Ich wollte David nur daran erinnern, auch ein Foto von euch beiden zu machen. Für mein Geburtstagsalbum.«
»WAS?« Meine Mutter leidet offenbar an Amnesie. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso sie nach dem kleinen »Zwischenfall« mit dem Mistkerl nach wie vor der Ansicht ist, David und ich seien ganz dicke.
Sie seufzt theatralisch. »Miriam, reiß dich zusammen.«
»Ich will aber nicht!«, zicke ich und verschränke bockig die Arme.
»Du benimmst dich, als würde ich sonst was von dir verlangen.«
»Mit dem da lasse ich mich nicht zusammen fotografieren. Kommt nicht in die Tüte.« Ich schiebe trotzig die Unterlippe vor.
»David hat mir die Angelegenheit längst erklärt. Du kannst deine Krallen einziehen.« Mir klappt der Mund auf. »Ich muss mich für meine Tochter entschuldigen«, wendet sich meine Mutter an David, der den Disput schweigend verfolgt hat. »Normalerweise ist Miriam deutlich umgänglicher.«
David setzt sein charmantes Staubsaugervertreter-
Lächeln auf, bei dem meine Mutter regelrecht dahinschmilzt. »Sie ist bloß aufgeregt, weil sie heute mal raus darf.« Er schnippt mit dem Daumen gegen meine Nase und grinst breit.
Ich balle die Hände zu Fäusten. Wie gern würde ich diesen Schnösel jetzt mit seiner Kamera erschlagen. Dumm nur, dass das nicht geht, weil sonst unsere kleine Inszenierung auffliegt. Und das weiß David ganz genau. Seelenruhig stellt er den Selbstauslöser ein, schäkert ungezwungen mit meiner Mutter und benimmt sich, als würde er seit Jahren zur Familie gehören. Die Einzige, die nicht ins Friede-Freude-Eierkuchen-Bild passt, bin ich. Wie immer.
Missmutig stehe ich neben ihm, sein linker Arm umfasst meine Schulter. Der Griff ist nicht fest, aber bestimmt. Als befürchte er, dass ich weglaufen könnte. Verlockende Vorstellung.
»Lächeln, Schatz«, flüstert David in mein Ohr.
Das gleißend helle Licht des Blitzes trifft mich völlig unvorbereitet. Panisch kneife ich die Augen zusammen, kralle mich haltsuchend an David. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie schrecklich ich nachher auf diesem Foto aussehe. Mit Schlitzaugen, verzerrtem Mund und wie ein Klammeräffchen an Davids Arm hängend. Das wird mit Sicherheit die Pole-Position unter den gruseligsten Fotos, die je von mir gemacht wurden.
»Wunderbar«, schwärmt meine Mutter entzückt. »Was seid ihr für ein hübsches Paar.« Wenigstens für sie ist die Welt in Ordnung. Halleluja.
»Kannst du
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