Zuckerguss (German Edition)
beginnen, sich langsam aufzulösen.
»Gut geschlafen, Schatz?«, erkundigt sich meine Mutter fröhlich und mit einem Strahlen auf dem Gesicht, dass selbst die Sonne draußen verblasst.
»Mhm.« Ich kippe den Inhalt des Glases hinunter und fühle mich danach noch elender.
Mein Vater legt den Sportteil zusammen. »Du solltest weniger trinken. Die Leute denken sonst, dass wir eine Alkoholikerin in der Familie haben.«
»Mhm.« Schön, dass das seine einzige Sorge ist!
»Besonders gesprächig bist du nicht.« Mama wirkt erstaunt.
»Die heutige Jugend«, sagt mein Vater kopfschüttelnd, als ob damit alles klar wäre. Er nimmt sich ein Brötchen aus dem Brotkorb und schmiert sich einen satten Zentimeter Pflaumenmus darauf. Allein bei dem Anblick rumort es erneut in meinem Magen. Mir ist richtig übel. Ich schlinge die Arme um meinen Körper und wippe vor und zurück. Nie wieder Alkohol!
»Willst du nichts essen, Miriam?« Wie aufs Kommando wedelt Mama mit einem Croissant vor meiner Nase herum. »Hat Konrad dir extra aufgehoben.«
»Wie großzügig.«
»Werd nicht pampig«, weist mein Vater mich sogleich zurecht. »Wer trinken kann, kann auch mit den Konsequenzen am nächsten Tag leben.«
Meine Mutter spürt, dass der nächste Streit sich auf leisen Sohlen anbahnt, und wirft mir einen warnenden Blick zu. Ich zucke mit den Schultern und nippe stumm an meinem Kaffee. »Vorhin habe ich übrigens Frau Reimann angerufen«, erzählt sie beschwingt und lenkt damit den düsteren Blick meines Vaters auf sich.
»Wen?«
»Die Pensionswirtin.« Das imaginäre Fragezeichen über seinem Kopf beginnt zu blinken. »Unser Urlaub auf Hiddensee«, hilft meine Mutter ihm auf die Sprünge.
»Urlaub?«
Manchmal schnallt mein Vater absolut nichts. Selbst wenn man ihm den Zaunpfahl vors Gesicht hält.
»Evas und Fabrizios Geburtstagsgeschenk«, fährt sie fort und deutet auf die Reisebroschüren. »Dank der Absage eines anderen Ehepaares aus dem Ruhrgebiet konnte ich unseren Urlaub kurzfristig für nächste Woche buchen. Ist das nicht wunderbar?« Sie klatscht euphorisch die Hände zusammen.
»Das kannst du gleich wieder absagen, Susanne. Ich kann die Bäckerei unmöglich in der Hochsaison eine Woche zumachen«, antwortet mein Vater mit einer Stimme, die keine Widerrede zulässt und die er sich normalerweise für mich aufspart.
So leicht lässt sich meine Mutter allerdings nicht von ihren Plänen abbringen. »Musst du auch gar nicht. Du hast doch Alex.«
»Alexander?« Mein Vater verschluckt sich fast. »Alexander schafft das nicht alleine. Er besitzt keinen Geschäftssinn und würde die Bäckerei in den Ruin treiben, wo wir sowieso gegen die Dumpingpreise der Bäckereiketten anzukämpfen haben.«
Im Schwarzmalen ist mein Vater von jeher absolute Weltklasse. Mama sieht das genauso.
»Du übertreibst, Konrad. Alex ist deine rechte Hand, selbst wenn du das deinem Sohn nie sagen würdest. Warum vertraust du ihm nicht? Eines Tages wird er die Bäckerei so oder so übernehmen.«
»Ja, weil eine gewisse Person, die deutlich geeigneter dafür gewesen wäre, nicht in die Bäckerei einsteigen wollte«, knurrt er und wirft mir einen vernichtenden Blick zu.
»Mit Miriam hat das nichts zu tun, und das weißt du«, bekomme ich überraschend Schützenhilfe von meiner Mutter. »Alex wird die Familienbäckerei weiterführen, wenn du dich endlich zur Ruhe setzt. Du kannst nicht ewig weitermachen wie bisher.«
Da hat sie einen wunden Punkt bei meinem Vater getroffen. Er wirft verärgert die angebissene Brötchenhälfte auf den Teller. »Noch ist es aber nicht so weit!«, brüllt er. In so einer Lage ist mein Vater mit äußerster Vorsicht zu genießen.
»Konrad, denk an deinen Blutdruck. Du weißt, was Doktor Lange gesagt hat. Ein wenig Erholung würde deiner Gesundheit guttun«, versucht sie, ihn zu beschwichtigen.
Mein Vater schnaubt verächtlich. Klar, er hält sich schließlich immer noch für agile zwanzig.
»Und falls du dir überflüssigerweise Sorgen wegen der Bäckerei machen solltest, Miriam ist ja da.«
»Huh?« Ich sitze plötzlich kerzengerade am Tisch. Vergessen sind mein Hangover und das konstante Pochen hinter meinen Schläfen.
»Du kannst bestimmt ein paar Tage länger bleiben, oder?« Mama sieht mich eindringlich an.
Theoretisch gesehen wäre jetzt der ideale Zeitpunkt, um meinen Eltern reinen Wein in Bezug auf mein Studium, meine nicht vorhandene Karriere und meinen nicht existenten Freund einzuschenken.
Wie gesagt:
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