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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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ich laut auf. Das ist der größte Blödsinn, den ich seit langem gehört habe.
    »Jetzt tu nicht so, als hättest du das nicht gewusst. Möglicherweise spekulierst du ja darauf, als Retter in der Not zu erscheinen und mir meinen Job wegzunehmen!«
    »Hältst du mich wirklich für so hinterhältig?« Meine Stimme bebt. Eine kalte Hand legt sich um meinen Nacken. Ich zittere. Die Temperatur im Raum scheint um mindestens fünfzig Grad gesunken zu sein. Ich umklammere das Treppengeländer, krampfhaft darum bemüht, nicht zusammenzubrechen.
    Ich kann nicht glauben, was mir mein eigener Bruder für Gemeinheiten unterstellt. Bis zu einem gewissen Maß kann ich seinen Groll auf mich verstehen, doch diese Unterstellung zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Was zu viel ist, ist zu viel!
    Alex zuckt mit den Schultern. »Dir traue ich mittlerweile alles zu.«
    »Vielen Dank«, presse ich verletzt hervor. Die kalte Wut ist Ernüchterung gewichen. »Ich habe durchaus meine Fehler, aber durchtrieben bin ich nicht. Ich heiße schließlich nicht Cora!«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen und blicke meinen Bruder durchdringend an.
    »Halt Cora da raus!« Sein Tonfall ist nahezu gespenstisch ruhig.
    Ich verziehe das Gesicht zu einer Grimasse. »Was um alles in der Welt willst du mit dieser heimtückischen Schlange?«, frage ich ungläubig. Ich kann nicht glauben, dass mein Bruder ernsthaft an Cora interessiert sein soll. Hat er denn völlig den Verstand verloren?
    »Du kennst Cora eben nicht.«
    »Du doch erst recht nicht!« Ich möchte ihm am liebsten Vernunft einprügeln. »Ich habe sieben Jahre gemeinsam mit ihr die Schulbank gedrückt. Entschuldige, aber da kenne ich sie bei weitem besser als du. Sie ist eine selbstsüchtige Tussi, die nur an sich denkt und Menschen hemmungslos für ihren eigenen Vorteil manipuliert. Bist du wirklich dermaßen blind vor Liebe, um das nicht zu erkennen?«
    »Was zwischen Cora und mir ist, geht dich einen Scheiß an.«
    Ich schließe die Augen, atme gleichmäßig ein und aus. Ich fasse es nicht, dass wir uns ernsthaft wegen Cora streiten. Das ist ein schlechter Witz! »Sie wird dir das Herz brechen!«, appelliere ich an Alex’ Verstand.
    »Pass du lieber auf, dass du nicht Mamas Herz brichst.«
    »Was soll das bitte heißen?«
    »Mit deiner kleinen Inszenierung kannst du die anderen vielleicht für dumm verkaufen, mich aber nicht.« Damit verschwindet er türenknallend in der Backstube.
    Fassungslos blicke ich ihm hinterher.
    »Mmmmm, was duftet denn hier so gut?« Mama kommt schnuppernd in die Küche. Mit einem überraschten Blick scannt sie das von mir veranstaltete Chaos. Die Arbeitsfläche ist mit Mehlresten bestäubt, in der Spüle stapeln sich dreckige Schüsseln, das Rollholz liegt mit Teigresten daneben. Es sieht ein wenig aus, als ob der Blitz eingeschlagen hätte.
    »Ich räume nachher auf«, verspreche ich und lecke mir den Zuckerguss von meinem Mittelfinger.
    Meine Mutter schüttelt verwirrt den Kopf. »Du hast gebacken«, kommentiert sie das Offensichtliche. Sie klingt leicht entsetzt.
    »Ich musste mich ablenken.«
    Immer wenn ich auf andere Gedanken kommen will, beginne ich zu backen. Mehl, Hefe, Eier, Zucker und Butter haben wie so oft eine nahezu tröstende Wirkung auf mich. Sobald meine Hände im Teig versinken, sehe ich die Dinge in einem milderen Licht. Meine Backorgien lösen zwar in den seltensten Fällen meine eigentlichen Probleme, aber für eine Weile denke ich nicht an sie. Das ist das Entscheidende.
    Nach Alex’ rätselhafter Bemerkung brauchte ich dringend Ablenkung. Ich wollte gar nicht erst beginnen, mir auszumalen, dass mein Bruder eine tickende Zeitbombe ist, die jeden Augenblick hochgehen kann. Mal ganz abgesehen davon, dass ich nun nicht nur mit meinem Vater, sondern auch mit meinem Bruder im Clinch liege.
    Wegen der Bäckerei, die ich nie wollte.
    Und wegen Cora.
    Unfassbar!
    Also stellte ich mich nach der Nachmittagsschicht in die elterliche Küche und beschloss, meine Schulden bei David zu begleichen. Ich hatte ja sonst nichts zu tun. Und da ich nicht das nötige Kleingeld besitze und mir sonst nichts einfiel, wie ich mich bei David bedanken konnte, entschied ich mich dafür, ihm einen Kuchen zu backen. Mit ganz viel Glück kann ich ihn damit vielleicht sogar überreden, den Leuten nicht sofort auf die Nase zu binden, dass er meinen Freund lediglich gespielt hat. Wenigstens so lange, wie ich in Wismar festsitze. Was zwangsläufig darauf hinausläuft,

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