Zuckerguss und Liebeslieder Roman
schwafle hurtig weiter. »Das wär’s dann wohl. Ich bin nicht die Babyflüsterin von Southfields. Ich habe keine Fernsehshow. Ich bin nicht verlobt. Ich bin keine genesende Alkoholikerin.« Habe ich noch was vergessen? »Und Stephen ist kein Zigarre rauchender internationaler Topanwalt, sondern leidet eher unter leichten Asthmaanfällen.«
Wyatt muss in seinem Leben mit diversen echt durchgeknallten Typen zu tun gehabt haben - er zuckt nicht mal mit der Wimper.
»Ist schon okay, Alice«, sagt er. »Ich wollte mich im Namen von Bruce entschuldigen. Manchmal tut er ein bisschen zu viel des Guten.«
Er setzt sich zu mir an den Tisch.
»Mag sein, dass er es gelegentlich übertreibt. Aber nur deshalb, weil ihm wirklich daran gelegen ist, Menschen vom Alkohol wegzubringen.«
»Weil er dasselbe erlebt hat?«
»Das müssen Sie ihn selbst fragen. Sagen wir mal, eine Menge Köche in Toprestaurants kommen nicht ohne Alkohol und Kokain aus, um zu funktionieren.« Wyatt überlegt einen Moment. »Letztes Weihnachten ging’s mir ziemlich dreckig. Bruce hat mir die Stange gehalten.«
»Und deshalb will er nicht, dass Sie wieder singen?«
»Aha, er hat Ihnen also schon den Marsch geblasen? Er macht sich Sorgen, dass ich dann wieder in meine alten Gewohnheiten verfalle.«
»Aber Sie könnten doch schreiben«, bricht es aus mir heraus. In den letzten Tagen habe ich mir viele Songs von Wyatt auf Scott Country angehört; einer kam sogar gerade da im Radio, als ich mit Gerry nach Yellow Springs unterwegs war. Nach den ersten paar Takten hat Gerry auf einen
anderen Sender umgeschaltet. »Und Sie könnten ein Album aufnehmen, ohne auf Tournee zu gehen.«
»Ohne Tourneen geht es nicht, Alice. Der Rummel ist die halbe Miete.«
Das weiß ich, aber ich will nicht aufgeben. »Vielleicht können Sie ja einfach nur Songs schreiben.« Daran wird Bruce doch sicher nichts auszusetzen haben? »Nüchterne und trotzdem beflügelnde Texte.«
Ich will nicht, dass Wyatt einen Rückfall hat. Aber es wäre doch eine Schande, sein ganzes Talent einfach verpuffen zu lassen.
»Ja, vielleicht.«
Nicht viel, aber immerhin.
Girl from afar
She’s sort of taken
I see her now
Eatin’ some bacon.
Außerdem bin ich nicht die Einzige, die so denkt. Ich erinnere mich, was Rachel und Celeste im Diner gesagt haben, am Tag meiner Ankunft. Und ich weiß, wie sehr Rachel sich wünscht, dass Wyatt wieder singt.
Ach, versuchen wir’s einfach. Wenn Wyatt pikiert ist - Pech gehabt. Ich hole tief Luft. »Es ist doch einfach schade, wenn man ein solches Talent brachliegen lässt.«
»Meinen Sie das wirklich?«, fragt Wyatt gleichmütig.
»Ja! Ich bin hergekommen, weil ich Sie zu einer neuen Aufnahme überreden sollte. Aber darum geht es mir jetzt gar nicht mehr.« Was stimmt. »Ich habe einfach das Gefühl, das ist etwas, was Sie für sich selbst tun sollten, auch wenn Sie Ihr ganzes Leben lang keinen Song mehr aufnehmen.«
»Sie sollen meinetwegen aber keinen Ärger mit Carmichael Music bekommen«, sagt Wyatt, fast schon schuldbewusst.
Ich verdrehe die Augen. »Hey, was denn, steht doch nur mein Job auf dem Spiel.«
»Was?«
»War bloß ein Scherz«, sage ich wenig überzeugend.
Wyatt lässt mich nicht aus den Augen. »Was soll das heißen?«
»Nichts.«
»Alice!«
»Na gut. Es ist alles noch streng vertraulich, aber Phoebe hat vor, das Londoner Büro zu schließen, und dann stehen wir alle auf der Straße.« Ich nehme einen Schluck Tropicana, mhhhmm, mit Fruchtfleisch. »Ehrlich gesagt glaube ich, dass Phoebe mich hergeschickt hat, damit ich ihr aus dem Weg bin.« Zu spät dämmert mir, wie sich das anhört. »Nicht, dass sie kein neues Album mehr von Ihnen wollen!«, schicke ich rasch hinterher. »Schließlich zahlen sie mir sechs Monate lang alle Spesen. Aber nachdem Sie nun beschlossen haben, nichts mehr zu schreiben, gibt es für mich hier nichts mehr zu tun. Außer, wie von Phoebe vorgeschlagen, mich nach hiesigen Talenten umzusehen.«
»Was für hiesigen Talenten?«, fragt Wyatt verdutzt.
»Singende Hunde und Familien mit zig Kindern. Sie ist der Meinung, ich könnte hier auf die nächste Partridge Family stoßen.«
Wyatt spart sich den Kommentar dazu. Für eine Weile herrscht einträchtiges Schweigen, während er weiter mit der Pfanne herumfuhrwerkt. Meine Frage, ob ich ihm helfen kann, tut er mit einer Handbewegung ab und serviert mir schließlich einen Teller mit Rührei, Speck und Waffeln
und füllt sogar noch mein Glas mit
Weitere Kostenlose Bücher