Zuckerguss und Liebeslieder Roman
Schlafzimmer.«
»Ich schlafe auf dem Sofa. Es funktioniert wunderbar.«
»Wer ist es denn?«
»Andy, der Pilot, von der Mittwochabendgruppe. Er wohnt seit Dienstag hier.«
»Aber Andy kann dich doch gar nicht ausstehen«, platze ich heraus.
»Er hatte keine große Wahl. Andy und Jennifer müssen sich vor Jennifers Mann verstecken. Er ist ihnen auf die Schliche gekommen und in Andys Wohnung eingebrochen. Leider hat er dabei eine ganze Reihe beweglicher Wertgegenstände entwendet.«
»Aber wieso wohnt Andy ausgerechnet bei dir?«, frage ich, immer noch heillos verwirrt.
»Das war Jennifers Idee. Sie hat gesagt, kein Mensch würde je auf den Gedanken kommen, dass sie bei mir wohnen.«
»Jennifer ist auch da?« Ich bin kurz davor loszukreischen.
»Ja. Zum Glück hatte sie unsere Festnetznummer. Wir haben überlegt, ob wir dir Bescheid sagen sollen, aber wir wollten dich nicht beunruhigen.«
»Meinst du nicht, du hättest es vielleicht mit mir besprechen können?«, sage ich verbittert.
»Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Wir haben uns hingesetzt und eine faire Aufteilung aller Kosten ausgearbeitet. Und im Kühlschrank beschrifte ich immer alles, damit es keine Verwechslungen gibt. Außerdem gleicht das, was sie an Miete zahlen, den durch deine Abwesenheit entstehenden Fehlbetrag mehr als wieder aus. Es ist eine Situation, von der alle Seiten profitieren.«
»Bis ich zurückkomme.«
»Dann müssen wir die Situation natürlich neu überdenken«, sagt Stephen grämlich. »Ich hatte dich erst in sechs
Monaten zurückerwartet. Der Einnahmenverlust wird beträchtlich sein.« Dann wird er wieder munterer. »Es funktioniert ausgezeichnet. Ein bisschen eng wird es nur, wenn Zara über Nacht bleibt.«
»Wieso bleibt Zara über Nacht?«, frage ich kraftlos.
»Du weißt doch, dass sie im Dunkeln nicht mehr auf die Straße hinauskann.«
»Wie oft ist das schon passiert?«
»Zweimal. Am Mittwochabend haben wir Scrabble gespielt und die Zeit vergessen. Gestern Abend haben wir uns zum Monopolyspielen getroffen. Jennifer und Zara schlafen im Bett, und Andy und ich wechseln uns mit dem Sofa ab.«
Kurz darauf habe ich aufgelegt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass ich bei Dad und Valerie enden werde. Das war’s dann also. Kein Job, kein Zuhause und ein Freund, der nicht Fisch und nicht Fleisch ist. Natürlich wird es nicht in alle Ewigkeit so bleiben. Zur gegebenen Zeit werde ich einen Job als Bibliothekarin annehmen, eine Einzimmerwohnung in Surbiton beziehen und mir eine Katze zulegen. Ich werde den übrigen Bewohnern des heruntergekommenen Hauses große, von Hand geschriebene Zettel mit Tesafilm in den Flur hängen - Bitte sorgen Sie dafür, dass Besucher das Haus leise verlassen, andere versuchen zu schlafen!!! Jede Woche verfasse ich auf meinem linierten blauen Notizblock von Basildon Bond in krakeliger Schrift einen verärgerten Leserbrief an die Lokalzeitung. Mein ergrautes Haar binde ich zu einem langen Pferdeschwanz, ich trage Dads abgelegte Sachen und führe Selbstgespräche. Schulkinder rufen mir hässliche Sachen zu, aber nur, wenn sie auf ihren Fahrrädern an mir vorbeisausen. Wenigstens habe ich ein paar delikate Erinnerungen, mit denen ich die Katze unterhalten kann.
Ich trage meinen Koffer nach unten und lege meinen Parka oben drauf. Beim Blick durch das gemütliche Wohnzimmer habe ich plötzlich das unerklärliche Gefühl, als würde ich gleich in Tränen ausbrechen. Wie albern! Ich halte mir vor Augen, dass eine Anstellung als Bürokraft in der Gemeindeverwaltung von Kingston einen sicheren Arbeitsplatz, vier Wochen bezahlten Urlaub und eine prima Salatbar in der Kantine bietet.
Durch das Fenster sehe ich Wyatt und Casey aus dem Stall kommen. Casey bugsiert einen Schubkarren voll Stroh. Wyatt ist genauso eingemummelt wie an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe; er trägt einen Blecheimer zu dem Wasseranschluss im Hof. Obwohl ich nicht mal eine Woche hier war, fühle ich mich auf der Farm wie … zu Hause. Was natürlich lächerlich ist. Wyatt will mit Sicherheit nicht, dass ich hier noch länger herumhänge. Gerry meinte, Wyatt lege Wert auf seine Privatsphäre. Und da ist bestimmt etwas dran.
Ich sehe die Szene vor mir: Nachdem ich weg bin, biegt Heidis Wagen in die Zufahrt ein und kämpft sich den Hügel hinauf. Sie geht ins Haus. Wyatt ist oben und telefoniert mit seiner anderen Freundin. »Ich bin beschäftigt«, brüllt er, »und hungrig.« Heidi vertreibt
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