Zuckerleben: Roman (German Edition)
passiert dann? Dann können wir die Hypothek nicht mehr abbezahlen; unser netter Unicredit-Berater Domenico Lotto, dieser abgeschleckte, karrieregeile Typ aus Moscufo, wird uns ein paar freundliche, aber bestimmte handsignierte Mahnbriefe per Einschreiben schicken, mit mindestens einer indirekten Anspielungen auf den möglichen Besuch des einen oder des anderen Gerichtsvollziehers darin, wie ich ihn kenne, wenn Lotto nicht selbst zu den mittlerweile 5200 Mitarbeitern gehört, die unsere Mustergroßbank bis 2015 wegrationalisieren will, und er nicht vielleicht schon selbst gefeuert wurde. Und weißt du, was dann passieren wird? Niente. Nichts. Den Mahnungen werden wir aus finanziellen Gründen nicht Folge leisten können, und dann exekutiert Unicredit per Gerichtsbeschluss das Hotel, unser »Dolce della Luna«, und wir landen auf der Straße. Nette Aussichten, nicht? Und was sollen wir dann machen? Unsere Pleite, eine von vielen Tausend allein dieses Jahr, wird keine Sau beeindrucken oder interessieren, das kann ich dir sagen. Außer vielleicht, wenn wir uns vor dem Finanzamt in Rom anzünden und darauf hoffen, dass Rai Uno einen Beitrag über unseren Krisentod im Fernsehen ausstrahlt. Dazu wird unser Premierminister Berlusconi auf einem seiner Mediaset-Sender sicher eine seiner klassischen Alles-ist-gut-Reden schwingen, den Vorfall seinen politischen Gegnern, diesen grimmigen Sparschlümpfen Monti und Co, in die Schuhe schieben, den Verzicht auf ein paar Dienstfahrzeuge erklären und feierlich die Investition eines Milliardenpakets in die Infrastruktur verkünden. Zum Beispiel in irgendein zwielichtiges Bauprojekt auf dem Territorium der kalabrischen Mafia, das seit vierzig Jahren nicht fertiggestellt wird, wie diese Autobahn zwischen Salerno und Reggio. Er wird sich mit einem breiten, gelifteten Grinser von seinem linken Ohr bis zu seinem rechten Ohr auf allen italienischen Fernsehkanälen verabschieden, für ein paar Stunden mit einer aus Nordafrika importierten minderjährigen Nutte Doktor spielen und dann selbstzufrieden zu irgendeinem EU -Krisengipfel mit Merkel und Sarkozy nach Brüssel fliegen. Aber da wird es für uns auch zu spät sein.«
»Und Gott?«
»Was, Gott?«
»Was wird Er dazu sagen?«
»Wer?«
»Na Gott!«
»Wozu? Zu Berlusconi oder zu unserer Pleite?«
»Nein, dass wir diesen Calabrese hier mitten in der Nacht verbrennen.«
»Gott wird es verstehen.«
»Meinst du?«
»Ja, certo . Er wird es verstehen.«
»Und was, wenn nicht?«
»Wenn er das nicht versteht, dann ist er kein Gott«, antwortet Monica um einiges lauter als beabsichtigt. Francesca schüttelt den Kopf und flüstert: »Wenn wir Calabrese wenigstens nach seiner Meinung dazu fragen könnten«, während sich Monica wieder auf das serbisch-orthodoxe Bestattungszeremoniell des wegrationalisierten Mitarbeiters der Zuckerfabrik von Termoli konzentriert.
Da bleibt der Wladyka plötzlich stehen, sieht Monica und Francesca an und richtet einen melodischen Satz auf Serbisch an sie, als hätte er ihre Konversation mitverfolgen können. Die Italienerinnen sehen Dušan Hilfe suchend an.
Jener überlegt ein wenig und antwortet mit dem Weihrauchfass in der Hand:
»Wladyka Borimirović sagt: ›Der Tod besteht nicht darin, dass man nicht mehr mitteilen, sondern dass man nicht mehr verstanden werden kann.‹«
»Verstehe. Besten Dank. Richten Sie ihm bitte aus, dass wir seine Weisheit sehr zu schätzen wissen«, sagt Monica.
»Jetzt die Opfergabe für die Seele des Toten«, sagt Dušan, wirft der rothaarigen Frau einen Blick zu und fordert sie auf, den georgischen Tee in ihrer linken Hand Francesca zu übergeben.
»Über dem Dahingeschiedenen!«, weist Dušan sie an, als sich die Hotelbesitzerin anschickt, ihrer Mitarbeiterin den georgischen Tee einfach in die Hand zu drücken. Monica macht zögerlich ein paar Schritte auf die Europalette mit den mittlerweile nur noch leicht qualmenden und dank des Benzins vollständig verbrannten Überresten Dejan Calabreses zu und fordert Francesca Lombardo, die Rezeptionistin, auf, an die andere Seite der Europalette heranzutreten. Als beide Frauen die entsprechende Position eingenommen haben und Signora di Garozzo das schmucklose Päckchen mit dem georgischen Tee über die Europalette reichen will, spürt sie eine Hand auf ihrer Schulter.
» Scusi , Signora , aber Dejan, möge ihm die Erde leicht sein, wie man bei uns sagt, hätte sicherlich gewollt, dass ich den georgischen Tee bekomme. Ich hänge
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