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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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Sarg hier hineingelegt, das hat der Tutunaru gesehen.«
    »Ja, und? Sie wollte eben nicht nass werden«, entgegnet der Protodiakon unbeeindruckt.
    »Das hättest du dem ausgeflippten Măndălac dem Zigeuner erzählen sollen, als der sich auf den Sargdeckel g’schmissen und ›Kruzitürken‹ zu plärren angefangen hat, dass ihm dabei die Spucke aus seiner zahnlosen Papp’n bis auf die Fahrspur geflogen ist! Oder der Naghirneac Sonja, die von dem fahrenden Laster runterhüpfen wollt! Von der armen Hlistun Maria rede ich gar nicht. Bei der war der Herzkasperl nämlich nimmer weit, als der Sargdeckel aufgegangen ist und sie stand gleich daneben, die Arme. Gezittert hat die wie ein Motorsägenblatt, hat der Tutunaru gesagt. Aber kann man’s denen verübeln? Stell dir vor: Draußen auf den Feldern erwischt dich ein Gewitter. Du versuchst, ein Automobil anzuhalten, weil du schneller nach Hause ins Trockene kommen willst. Da freut’s dich, weil jemand anhält. Steigst auf. Merkst, dass es ein Laster ist, der Särge transportiert. Draußen regnet’s in Strömen. Was tust? Du richtest dich zwischen den Särgen so gut es geht ein. Und da dauert’s auch nimmer lang, und dir kommt die unvermeidliche Frag ins Hirn einig’schossen: ›Sind die Särge leer oder nicht?!‹ Das weißt du nicht. Eben. Du bleibst deswegen still und ehrfürchtig sitzen, hältst dich am URAL fest und versuchst, nicht der Särge wegen über allzu viel unangenehme Sachen wie Tod und Krankheit nachzudenken. Aber reden kann man da auch nicht, weil die Leut hierorts gottesfürchtig sind. Und dann geht der Sargdeckel auf einmal auf, und ein weiblicher Toter erkundigt sich nach dem Wetter! Wie würdest du darauf reagieren?«
    »Und was hast du gemacht?«, interessiert sich Derimedont.
    »Ja, nix. Erst als mir der Parovoi Igor gegen das Fahrerhäuschendachl einzudreschen angefangen hat und ich im Rückspiegel die Naghirneac die Lkw-Bordwand hochklettern gesehen hab, bin ich prophylaktisch auf die Bremse gestiegen. Und da ist’s mir gleich wieder kalt über den Rücken gelaufen! Weil. Was sehe ich im Seitenspiegel? Im Seitenspiegel sehe ich auf zwei schleudernden Rädern, mit dem Seitenwagenrad schräg in der Luft ohne Bodenkontakt hängend, auf dem äußersten Randfetzen Straßenasphalt, den Tutunaru Pitirim mit Matsch und wildem Blick im Gesicht, eine Wasserfontäne links, eine Wasserfontäne rechts, mir in den Auspuff reinfliegen! Da hat’s mich gleich gerissen. Komplett. Weil. An Tutunaru, den ich da die ganze Zeit im Schlepptau hatte, habe ich gar nicht mehr gedacht.
    Deswegen, als ich behirnt hab, was da überhaupt vor sich geht, habe ich sofort wieder Gas gegeben, um ihn zu stabilisieren, den Tutunaru.
    Das hat die Leute hinten auf der Ladefläche ein bisschen durchgerüttelt, ja, aber die Naghirneac war dafür wieder sicher an Bord, und der Tutunaru ist trotz Abbremsen, Schlamm und Aquaplaning wieder auf die Spur gekommen, deswegen schaut er jetzt so aus. Wennst mich fragst: Ein Wunder war das! Ein vollwertiges Wunder. Mit allem Drum und Dran. Ein Glück, dass ich rasch reagiert hab und dass da oben wer gut aufgepasst hat, sonst hätte er’s nicht unbeschadet überstehen können, diesen Luftzug des Todes, der Tutunaru. Da muss man fast eine Kerze anzünden, wenn nicht zwei, dem Gospod Gott dafür danken und keine țaul-Agrotechnikum-Äthiopier-Scherzerln reißen!«
    »Is ja gut, Lawrow! Und was ist mit der Nadja passiert?«
    »Ja, nix. Die hat sich köstlich amüsiert, die Pilipciuc, hat sich für die Fahrt bedankt und ist ab nach Hause. Davor hat sie noch dem Tutunaru ein Busserl auf die Wange gedrückt, siehst du, dort, wo’s ein bisschen heller ist. Und weg war sie, die Unverschämte. Ich sag’s dir, Derimedont, die Großstadt tut unseren Leuten nicht gut. Das Leben am Land ist zwar hart, aber ehrlich. Es lehrt die Menschen, bescheiden und einfach zu leben und sich gegenseitig zu helfen. Am Land weißt du nämlich, dass wenn du dem anderen nicht hilfst, dir dann auch niemand hilft. Und deswegen kommen die Leut bei uns miteinander aus, so gut es geht.«
    »Ja, das stimmt. Hierorts musst du immer genug Platz für ein ›Guten Tag‹ lassen«, pflichtet der Protodiakon Lawrow bei und fügt dem hinzu:
    »Anders funktioniert’s nicht!«
    Lawrow fährt mit einem Kopfnicken fort:
    »Genau mein Reden, Derimedont. Genau mein Reden!
    Und die Großstadt? Die Großstadt verdirbt sie. Alle miteinander! Macht sie selbstsüchtig, egoistisch und setzt

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