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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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bleichem Gesicht nach hinten, zum Sarg, aus dem das schallende Gelächter des Mädchens mit der orangen Sonnenbrille ertönt.
    Pitirim Tutunaru versucht vom Motorrad aus, den Regen, die Rufe und den Motorlärm des URAL s mit seinen kurzen Erklärungen zu übertönen, um die Situation zu beruhigen.
    In diesem Moment rauschen sie an einem großen blauen Schild vorbei, das Lawrows Laster mit dem hellbraunen Wasser aus einem Schlagloch vollspritzt: CORBU , 2 KM .
    Protodiakon Derimedonts Krisenmanagement
    »Ion! Ihr lasst sie auf keinen Fall in Jugoslawien zurück! Sie muss hier in Heimaterde liegen, hörst du?! Was, die Grenze? Welche Grenze? Die rumänische? Das ist doch keine richtige Grenze! Das ist nur so, fürs Ambiente, dass man das Gefühl hat, auf Reisen zu sein, und einen bunten Stempel in den Pass kriegt. Ihr schafft das schon. Ach was. Was redest du da? Das war vielleicht unter Ceaușescu noch so, aber den haben sie ja schon erschossen, den Gottlosen! Aber wenn’s dir den Schlaf raubt: Ich werde mich um die Grenze kümmern. Persönlich. Ich hab meinen Mann in Leușeni. Ihr müsst also über den Grenzpunkt Leușeni fahren, und nicht über Ungheni, hörst du? Und hab a bissl Vertrauen und mach dir keine Nerven: Du wirst unbeschwert wie ein Albatros über die Grenze zurück in die Union kommen. Ich werde dem Priponeac deine Kennzeichen durchgeben, der wird’s den Burschen aus den anderen Schichten auch sagen, damit sie Bescheid wissen und denen ihre Hundeführer a bissl aufpassen. Ja? Also, Gospod Gott sei mit euch! Ja. Ja, doch! Nu hai davai , pfüati Gott!«, sagt der Protodiakon Derimedont, legt den Hörer auf, massiert sich das mit dichtem, wattigem Bart überwucherte Kinn und schiebt sich sein Kamilavkion tiefer in den Nacken, als plötzlich Pitirim Tutunaru und Lawrow mit dem Sarg, in welchem das Mädchen mit der orangefarbenen Sonnenbrille zuvor Schutz vor dem Regen gesucht hat, bei der Hintertür seiner dem Heiligen Dumitru geweihten Kirche in Erscheinung treten. Tutunaru ist von Kopf bis Fuß nass; Schlammspritzer und Matsch bedecken seine Arme und sein Gesicht. Lawrow sieht dagegen trocken und gepflegt aus, dafür ist sein Gesichtsausdruck unzufriedener als der Tutunarus. Die beiden Männer laden ihre Last neben einem etwas kleineren Sarg, der bereits in dem Raum liegt, ab.
    » Noroc , Lawrow, Lawrowtscherl! Endlich bist du da! Und ich dachte schon, dass sich da unterwegs was Ungutes zugetragen haben könnt … Obwohl, bei unserem moderaten Verkehrsaufkommen. Na ja, über schwarze Gedanken soll man ja ned reden!«, ruft der Protodiakon freudig, erhebt seine epische Vollbart-Figur von seinem mit Schnitzereien versehenen Faltstuhl und reicht dem moldawischen Sargmacher die Hand. Lawrow schickt sich an, die Hand des orthodoxen Geistlichen zu küssen, doch Derimedont entreißt sie den fettigen Lippen des Sargmachers im letzten Moment und schüttelt stattdessen Lawrows wettergegerbte Hand.
    Dann wendet sich Derimedont zu Tutunaru.
    »Und wessen bist du?«
    »Wie, wessen bin ich? Erkennst mich nicht mehr, Batyuschka? Ich bin’s doch, der Pitirim, ich soll bei dir Parastas-Kerzen abholen.«
    Derimedont mustert Tutunaru weiterhin nachdenklich von Kopf bis Fuß.
    »Und ich dachte, du wärst einer von diesen freundlichen äthiopischen Austauschstudenten aus dem Agrotechnikum vonțaul!«
    Derimedont grinst breit und klopft Tutunaru auf die Schulter.
    »Sag das nicht, Batyuschka, wenn du an seiner Stelle bei dem Unwetter auf dem Motorradl im Schlepptau gesessen wärst, als ich die Vollbremsung gemacht habe, würdest du jetzt ärger aussehen! Garantiert. Wenn du mir den Kraftausdruck erlaubst: Ang’schissen hättest dich! Aber so richtig, von oben bis unten!«, wirft Lawrow ein und fügt mit leichtem Kopfschütteln hinzu: »Ich pack’s nicht, die Verrückte.«
    »Was war denn los?«
    »Was, was. Wo das Gewitter angefangen hat, da habe ich die Nadja Pilipciuc, der Irina Pilipciuc ihre Tochter, mitgenommen. Sie war da zu Fuß nach Corbu unterwegs in ihren dünnen Sachen, und ich dachte mir, ich kann doch nicht das arme Mädel jetzt auf der Landstraße im Regen stehen lassen und einfach wie ein Doghitoc vorbeifahren.
    Also habe ich meinen Laster angehalten und das Mädel mitgenommen. Vorne in der Fahrerkabine war kein Platz mehr, und deswegen habe ihr gesagt, sie soll hinten aufsitzen, auf der Ladefläche, wo ich die sieben Särge geladen gehabt hab. Und als der Regen stärker geworden ist, hat sie sich in den

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